...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
Ich hol’ dich um zehn ab.«
Als das Taxi vor der Disco hielt und Tanja klarwurde, dass Michaela mit ihr da hineinwollte, sträubte sie sich zunächst. »Ich kann das nicht. Mit meinem Bein.«
Michaela war schon ausgestiegen, nun beugte sie sich hinunter zur offenen Tür des Taxis. »Quatsch. Natürlich kannst du.«
»Wie soll das denn gehen?«
»Wirst du schon sehen, komm steig aus.«
Während Tanja widerwillig aus dem Taxi krabbelte, lief Michaela schnell um den Wagen herum und nahm Tanja in Empfang. Sie hakte sich bei ihr ein. »Also dann, auf geht’s.«
Michaela hatte die frühe Zeit bewusst gewählt. So früh, es war jetzt halb elf, war an einem Freitagabend noch kein großer Andrang in der Diskothek. Das gab Tanja die Möglichkeit, sich erst einmal umzuschauen und sich langsam zu akklimatisieren.
Sie suchten sich einen der freien Tische aus. Es kam auch gleich eine Bedienung, die fragte, was sie trinken wollten. Michaela bestellte zwei Bacardi Cola, damit Tanja nicht auf die Idee kam, sich an Orangensaft festzuhalten. Der Bacardi ließ sie hoffentlich etwas unverkrampfter werden.
»Du siehst aus, als ob dir jemand etwas Böses wollte. Entspann dich«, sagte Michaela. »Wir sind hier, um Spaß zu haben.«
»Spaß?« fragte Tanja skeptisch. »Was meinst du damit?
»Neue Leute kennenlernen, sich unterhalten«, half Michaela Tanja auf die Sprünge.
»Worüber unterhält man sich mit Fremden?« fragte Tanja hilflos.
»Man fragt, wer der andere ist, was er so macht . . .«
». . . ob er Single ist«, beendete Tanja Michaelas Satz. »Du willst mich verkuppeln!«
»Blödsinn.« Michaela grinste. »Es sei denn, es ergibt sich zufällig was.«
Die Diskothek füllte sich langsam. Und bald gesellte man(n) sich zu ihnen. Wenn sich der Smalltalk manchmal auch zäh dahinschleppte, die Aufforderung zum Tanz folgte, mehr oder weniger originell, immer.
Während Michaela, um Tanja Mut zu machen, öfter mit auf die Tanzfläche ging, schüttelte Tanja auf die Frage »Tanzt du?« immer nur den Kopf.
Michaela sah sich das eine Weile an, dann entschied sie, etwas zu unternehmen, damit Tanja ihre Scheu überwand. Als der DJ eine langsamere Musik spielte, nahm sie Tanja einfach bei der Hand und führte sie zur Tanzfläche. Dort zog sie Tanja in den Arm, und sie wiegten sich langsam im Takt der Musik.
Michaela spürte Tanjas versteiften Körper. Sie fühlte sich unwohl, schaute sich unsicher um.
»Geht doch gut. Entspann dich endlich«, sagte Michaela.
Tanja seufzte. In ihren Augen las Michaela die Angst, jemand würde ihre unbeholfenen, steifen Bewegungen bemerken. Mit ihrem kranken Bein war Tanja natürlich eingeschränkt. Michaela hatte bewusst auf einen langsamen Titel gewartet, um sie auf die Tanzfläche zu führen. So war es leichter für Tanja, einen Stil zu finden, bei dem ihr Handicap nicht auffiel. Sie musste nur ihre Angst vergessen.
Michaela strich sanft über Tanjas Rücken. Und wirklich, ihr Körper verlor etwas von der Anspannung. Nach einer Weile sagte Tanja: »Ich glaube, wir werden angegafft.«
»Das bildest du dir ein«, beruhigte Michaela sie. »Du machst das gut. Nicht mal ich kann merken, dass mit deinem Bein etwas nicht in Ordnung ist.«
Tanja schüttelte den Kopf. »Das meine ich nicht.«
Michaela sah sie fragend an, dann schaute sie sich unauffällig um. Und wirklich, einige Augenpaare warfen ihnen neugierige Blicke zu.
»Ups«, kicherte Michaela. Natürlich, sie waren ja nicht in den Lokalitäten, die Michaela sonst aufzusuchen pflegte. »Sorry, komm, wir gehen. Schließlich wollen wir ja die potentiellen Verehrer nicht abschrecken.«
»Nein, warte«, hielt Tanja Michaela überraschenderweise zurück. »Ist doch egal.« Ihr Körper schmiegte sich eng an Michaelas. »Ich mag es.«
Was? So plötzlich? fuhr es Michaela durch den Kopf. Trotzdem führte sie Tanja nach dem Titel von der Tanzfläche weg. Sie wollte deren Chance auf eine Eroberung nicht mindern.
Und irgendwie fühlte sie sich auch – erregt. Das war eindeutig auf den engen Körperkontakt zurückzuführen. Da machte Michaela sich nichts vor. Und wenn der erste Grund allein nicht schon ausreichend gewesen wäre, das Tanzen mit Tanja zu beenden, so war dieser Grund ein Muss.
Glücklicherweise kam sofort ein junger Mann, der Michaela ablöste.
»Tanzt du?« fragte er Tanja, und nach einem ängstlichen Blick zu Michaela, den sie mit einem Nicken beantwortete, ließ Tanja sich mitführen.
Das gab Michaela Zeit, sich
Weitere Kostenlose Bücher