...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
ohne wirklichen Erfolg.
Nein, wenn sie sich besser, oder wenigstens weniger schlecht fühlen wollte, musste sie die Dinge anders angehen. Und sie hatte auch bereits eine Idee.
Bisher war sie, Michaela, die treibende Kraft der Annäherung zwischen ihr und Tanja gewesen. Sie hatte die Gespräche in die Richtung getrieben, die ihr von Nutzen waren, hatte Tanja geschickt dahin manipuliert, wo sie sie hinhaben wollte. Das würde jetzt aufhören. Sie würde Tanja weder anrufen noch sie besuchen.
Wenn Tanja sich bei ihr meldete war es gut, dann konnten sie sich treffen, etwas zusammen unternehmen, je nachdem, was Tanja vorschlug. Rief sie nicht an, geschah auch nichts.
Auf die Art würde ihre Beziehung früher oder später sicher wieder einschlafen. Walter Kanter gegenüber würde sie behaupten, Tanjas anfängliche Begeisterung wäre nur ein Strohfeuer gewesen. Der Altersunterschied sei zu groß, sie hätten keine gemeinsamen Interessen, es fehle ihnen die Basis für eine Freundschaft. Der Plan sei leider gescheitert.
Es gab dann keinen Grund für Kanter, ihrer Karriere Steine in den Weg zu legen.
Vanessa musste eben etwas länger warten mit dem faulen Leben in der Sonne des Südens. Und natürlich musste Michaela in der verbleibenden Zeit dafür sorgen, dass Tanja vor einer eventuellen Wiederholung des Freundinnenversuches seitens ihres Vaters sicher war.
Sie würde Tanja Wachsamkeit lehren. Michaela lächelte in sich hinein. Sie fühlte sich jetzt viel besser.
Später am Abend klingelte Michaelas Handy.
Sie hörte Walter Kanters wohlwollende Stimme. »Guten Abend, Frau Dietz. Ich wollte Ihnen nur sagen, wie zufrieden ich mit Ihnen bin. Tanja ist wie ausgewechselt. Sie lacht. Weil sie sich endlich selbst gefällt und weil sie eine Freundin hat. Weiter so.«
Ehe Michaela etwas erwidern konnte, war die Verbindung bereits unterbrochen.
Ja, weiter so. Das hättest du gern, dachte Michaela grimmig.
5.
M ichaela arbeitete zu Hause am Computer. Sie war heute nicht ins Büro gefahren, weil dort die Maler waren, sie aber Ruhe brauchte, um einen Bericht zu schreiben. Vanessa würde nicht vor sechs zu Hause sein. Es war Monatsende, da gab es in der Bank immer mehr zu tun.
Verwundert blickte Michaela auf, als es an der Tür klingelte. Wer konnte das sein so früh am Nachmittag? Sie ging zur Tür, öffnete.
Tanja stand vor ihr. Mit Blumen in der Hand. »Du hast dich gar nicht mehr gemeldet, da dachte ich . . . habe ich was falsch gemacht?«
Michaela stand wie versteinert. »Ich . . . ich hatte viel zu tun, . . . die Arbeit . . . ein neues Projekt«, stotterte sie.
»Ach so.« Tanja wirkte erleichtert.
Michaela versuchte sich ihre Überraschung nicht anmerken zu lassen. Sie hatte sich an ihr Vorhaben gehalten und nichts unternommen Tanja wiederzusehen oder sonst wie Kontakt zu ihr aufgenommen. Und entweder war Tanja zu schüchtern sie anzurufen oder zu sehr mit ihrem neuen Ich beschäftigt. Jedenfalls hatte Michaela drei Tage nichts von ihr gehört. Das ließ sie die Hoffnung hegen, diese unleidliche Geschichte schneller als erwartet hinter sich gebracht zu haben.
Manchmal, den einen oder anderen kurzen Augenblick, hatte sie Tanjas Schweigen auch bedauert. Sie vermisste ein wenig den aufmerksamen Ausdruck ihrer Augen, das schüchterne Lächeln. Aber das war immer nur ganz kurz, und darauf folgte jedesmal die Erleichterung, dass sie endlich wieder ihrem Spiegelbild in die Augen sehen konnte.
Und nun stand Tanja vor ihr.
»Wie, woher weißt du . . .«
»Wo du wohnst?« Tanja senkte verlegen den Blick. »Ich habe bei deiner Versicherung angerufen.«
»Wäre es nicht leichter gewesen, mich anzurufen?«
»Ich wusste nicht, ob du mich sehen willst.«
»Verstehe. Deshalb hast du beschlossen, mich einfach zu überfallen.« Michaela konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Sehr logisch.«
Tanja stand immer noch unentschlossen vor der Tür.
Michaela nahm ihr die Blumen ab. »Na, komm schon rein.«
Michaela fiel auf, dass Tanjas neue Frisur immer noch gut saß. Was darauf schließen ließ, dass sie die in Form hielt. Auch ihr T-Shirt und die Hose waren geschmackvoll aufeinander abgestimmt – und enganliegend. Sie betonten Tanjas schlanken Körper.
»Ich stelle fest, es macht dir Spaß, gut auszusehen«, kommentierte Michaela ihre Beobachtung. Insgeheim musste sie sogar zugeben, dass Tanja bereits absolut sicher in ihrem neuen Outfit wirkte, gerade so, als hätte sie nie anders ausgesehen. Michaela
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