...und wenn Du auch die Wahrheit sprichst
als auch ihre Angriffslust verschärfte?
»Ich habe bemerkt, wie du uns beobachtet hast.« Tanjas Blick bohrte sich förmlich in Michaela hinein. »Wie ein Experiment. Aber du hattest dabei so einen seltsamen Ausdruck in den Augen. Ein wenig Sorge und . . . Sehnsucht? Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«
Michaela biss sich auf die Lippe. Das war ihr nicht bewusst gewesen. »Du . . . du musst dich täuschen. Ich bin wirklich nicht auf was mit dir aus, falls du das vermutest. Ich bin mit Vanessa zusammen, das weißt du.«
»Also, es macht dir nichts aus, wenn ich mit Christian gehe?«
»Aber nein.« Und selbst wenn, sollte es dir egal sein.
»Gut.« Tanja küsste Michaela auf die Wange, winkte ihr zu und verschwand.
Michaela schaute ihr perplex nach. Du hast Tanja falsch eingeschätzt. Sie ist kein kleines, naives Mädchen, nur weil sie in der Lage ist, sich noch ehrlich zu freuen. Tanja hat dich eben deutlich provoziert. Hättest du ja gesagt, wäre sie mit dir gegangen. Falls es dir entgangen ist: Tanja ist eine Frau!
Eine, die ihr neues Leben offenbar genießen wollte. Und bereit war, alles einmal auszuprobieren.
Michaela nippte an ihrem Bacardi Limón Cola, während sie versuchte, Tanja im Auge zu behalten. Ihr kamen Zweifel, ob es tatsächlich so eine gute Idee war, Tanja hier herzubringen. Sie schien es im Moment ja sehr zu genießen, aber was war später? Was, wenn dieser Christian, an den sie da geraten war, so ein Trophäensammler war? Tanja hatte ja keine Erfahrung darin, die Spreu vom Weizen zu trennen. Der Typ konnte sie mit charmanten Worten einlullen und dann . . .? Wenn Tanja irgend etwas passiert, ist das deine Schuld! Und heutzutage passierte eine Menge.
Nun hör aber auf! Tanja ist erwachsen. Irgendwann muss sie ihre Erfahrungen ja machen. Deine Besorgnis ist doch nur ein Vorwand, um deinen Schützling von Christian wegzuholen. Das wirst du aber schön bleiben lassen! Die beiden gaben ein schönes Paar ab, und dieser Christian wirkte ganz okay. Eigentlich kannst du jetzt verschwinden, du hast deine Aufgabe erfüllt.
Aber dazu konnte Michaela sich nicht durchringen. Im Gegenteil. Sie beobachtete die beiden mit zusammengekniffenen Augen. Und als Tanja und Christian eine halbe Stunde später zum Ausgang gingen, stürzte Michaela ohne zu überlegen hinterher, so schnell es die Menschenmenge nur zuließ.
»Tanja!« rief sie, als sie sich endlich bis auf wenige Meter an sie herangekämpft hatte.
Tanja drehte sich um, sah Michaela an. Die stand da, zerzaust und unglücklich. Tanja wandte sich an Christian, sprach ein paar Worte mit ihm. Der nickte und mischte sich wieder unter die Menge. Tanja wartete, bis Michaela bei ihr war. Sie erwartete offenbar keine Erklärung von Michaela, gab auch keine ab. »Komm«, sagte sie nur.
Das Taxi fuhr sie zur Villa Kanter. Sie schwiegen während der Fahrt.
In Michaelas Kopf schwirrten die Gedanken durcheinander. Was war passiert?
Nichts. Du hast dich nur benommen wie eine eifersüchtige Idiotin! Was dachte Tanja jetzt von ihr? Nun, das zu erraten war nicht schwer. Für Tanja musste es so aussehen, als hätte sie, Michaela, ’ne Schraube locker. Erst schleppte sie Tanja in diese Disco, um, wie die ganz richtig erkannte, sie zu verkuppeln. Als Tanja dann endlich verkuppelt war, warf sie sich dazwischen. Wie willst du ihr das erklären? Wie erklärst du dir das?
Das Taxi hielt. Tanja lächelte Michaela an. »Willst du noch einen Kaffee?«
Eigentlich wollte Michaela lieber heim, aber ihr war klar, das sie nicht ablehnen konnte und der Abend endete, ohne dass sie eine Erklärung für ihr merkwürdiges Verhalten abgeben konnte. »Gern«, sagte sie deshalb.
Tanja ging die Treppe hoch, in ihr Schlafzimmer, wo sie ihre verschwitzten und nach Rauch stinkenden Klamotten auszog.
Michaela, die ihr in der Annahme gefolgt war, Tanja würde nur ihre Tasche ablegen, schaute Tanja verwirrt zu – und dann verlegen zur Seite.
Tanja wickelte sich in einen Kimono und ging ins benachbarte Bad. Michaela hörte das Rauschen der Dusche. Fünf Minuten später stand Tanja wieder vor ihr, mit nassem Haar und in den Kimono gehüllt. »Wenn du auch willst?«
»Nein, ich . . . ich dusche zu Hause. Ich wollte bloß . . .«, stotterte Michaela.
»Zu Hause? Aber ich dachte, du schläfst hier«, sagte Tanja.
»Wieso . . .? Nein . . .« Michaela schluckte.
Tanja schaute sie verwundert an. »Aber du wolltest doch nicht, dass ich mit Christian gehe. Ich
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