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Und wenn es die Chance deines Lebens ist

Und wenn es die Chance deines Lebens ist

Titel: Und wenn es die Chance deines Lebens ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Vermalle
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mir wieder etwas ein. Sie haben tatsächlich von Schwarzhandel gesprochen ... mit Keksen. Mit Pépitos. Der Schwarze und der Araber haben sich um die kranken Kinder in der Klinik in Pontoise gekümmert und dort Pépitos verteilt, weil sie fanden, die Kantine da wäre nicht gerade der Renner.«
    »Für Schwarzhandel mit Pépitos wird man nicht eingebuchtet«, meinte Jean-Pierre.
    »Eines steht fest: Von Niles Freunden hat keiner auch nur einen einzigen Tag gesessen. Das sind alles richtige Saubermänner. Schwarzhandel mit Gemälden großer Meister, das scheint mir für diese Truppe wirklich eine Nummer zu groß zu sein.«
    Frédéric hatte genug gehört. »Danke«, sagte er und suchte einen Geldschein in seiner Tasche. »Für die Informationen.« Er reichte Luigi einen Zehneuroschein.
    »Nee, nee, ich bin nicht käuflich. Damit das klar ist, Luigi ist kein Spitzel.«
    »Ich nehme das Geld«, mischte Jean-Pierre sich ein. »Für die Miete meiner Bank. Im 7. Arrondissement kostet das was. Wenn wir Ihnen helfen konnten ... Ich habe Ihnen ja gesagt, wir hier auf der Straße sind alle eine große Familie, und Luigi ist unser Sprecher. Ah, da kommen die Rothäute ...«
    Ehrenamtliche junge Mitarbeiter des Roten Kreuzes stiegen die Treppe hinunter. In kalten Nächten suchten siedie bekannten Schlafplätze der Obdachlosen auf, um sie zu überreden, ihnen in eine Unterkunft zu folgen. Jetzt hatten die beiden Männer neue Gesprächspartner. Frédéric verabschiedete sich von Jean-Pierre und Luigi und ging in Richtung des Pont des Arts davon.
    »Frohe Weihnachten, Kumpel!«, riefen sie ihm hinterher.
    Frédéric wandte sich zu ihnen um und winkte.
    Die Hände in den Taschen vergraben, lief Frédéric die Uferpromenade hinunter. Immer wieder strich er nervös über die Schlüssel des Vorhängeschlosses, die Marcia ihm gegeben hatte. Stärker als seine Schritte trieben ihn seine Gedanken dem Ziel entgegen. Das war also das Geheimnis. Natürlich war sein Vater auch in die Sache verwickelt. Und natürlich gab es gar kein Gemälde. Es war eine Falle, und er war ihnen auf den Leim gegangen. Frédéric hatte es von Anfang an vermutet, doch er hatte sich von den Gemälden blenden lassen. Monets Genie, Sisleys Gestalten und seine unerklärliche Begeisterung für Winterlandschaften. Das war seine Achillesferse, und diese Bande rund um Fabrice Nile wusste es. Dieser Vater, der so geschickt darin war, andere davon zu überzeugen, er hätte niemals im Gefängnis gesessen, hatte ihn hereingelegt. Natürlich hatte er im Gefängnis gesessen. Doch war er sich da ganz sicher? Frédéric spürte wieder Angst in sich aufsteigen, die Angst vor dem morgigen Tag, an dem seine Gewissheiten vielleicht keine Gültigkeit mehr hätten. Dieser Fabrice Nile, der so viel Unheil in seinem Leben angerichtet hatte. Wenn er nur daran dachte, was er noch alles verlieren würde. Frédéric war auf dem Pont des Arts angekommen.
    Ohne lange suchen zu müssen, fand er das Vorhängeschloss und nahm es ab. Dann warf er die Schlüssel und das Schloss mit aller Kraft und aus tiefster Seele in den eisigen Fluss, der unter der Brücke hindurchfloss.
    Seine Wangen waren gerötet, und das Herz klopfte laut in seiner Brust. Frédéric hatte das Vorhängeschloss in der Seine untergehen sehen, und nun beruhigte eine wohlige Brise seine Gedanken. Er war frei. Er dachte wieder an den verschneiten Papierkorb im Jardin de Bagatelle. Wenn er die Schachtel in den Papierkorb geworfen hätte, wäre er der Alte geblieben und jetzt viel glücklicher. All die Fremden, die ihm zuflüsterten, er solle sein Leben ändern, wären ihm nicht begegnet. Es hätte keine Geisterbahnen und keine Gärten gegeben, in denen es spukte. Und plötzlich sah Frédéric die Lösung klar vor Augen: Er würde das Musée d’Orsay nicht besuchen. Er konnte frei über seine Zeit verfügen. 32 Jahre lang hatte er seinen Vater in einem fernen Winkel seiner Seele vergraben. Auch das lag in seinem eigenen Ermessen. Er wollte ihn nicht kennenlernen und genauso wenig die Leute, die ihn kannten. Frédéric strebte kein familiäres Verhältnis zu seinem Vater an und wollte auch sonst ungebunden sein. Er wollte nach seinen Vorstellungen leben, in sein Leben hineinschlüpfen wie in seine Anzüge aus feinem Tuch, die ihm so gut standen. Er würde wieder Frédéric Solis werden, der hervorragende Rechtsanwalt und begeisterte Kunstsammler, ohne Vater und ohne Sohn, Herausgeber seiner persönlichen Wahrheit und Architekt

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