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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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machte einen Satz nach vorn und packte das Seil seines Schlittens.
    »Lasst uns verdammt nochmal hier verschwinden, bevor dieser Typ meint, wir bräuchten zu lange, und wieder zurückkommt.«
    Wir hielten uns nicht mehr länger damit auf, nach Autos zu suchen. Wir liefen einfach nur weiter – quer durch die Stadt und bis zu der Gruppe von Kiefern hinter den letzten Häusern. Die Wolken türmten sich inzwischen direkt über uns, bedeckten fast den ganzen Himmel und verdunkelten die Sonne. Der Wind hatte aufgefrischt. Ich zog den Reißverschluss meiner Jacke bis ganz nach oben und meine Mütze bis über die Ohren. Mein Herz schlug immer noch wie wild.
    Ich warf einen Seitenblick auf Gav. Er marschierte neben mir her, als wäre nichts gewesen, als hätte er sich nicht gerade in etwas gestürzt, das leicht zu einem Ringkampf hätte ausarten können, mit einem Kerl, der zwanzig Zentimeter größer und mindestens fünfzehn Kilo schwerer als er selbst war. Und offensichtlich krank.
    Ich beobachtete die Spur, die Tessas Schlitten vor mir im Schnee hinterließ, und fühlte die Minuten verstreichen, unfähig zu sprechen. Meine Gefühle waren so durcheinander, dass ich gar nicht wusste, welcher Teil davon Ärger, Angst oder einfach blankes Entsetzen war. Vielleicht wäre es das Beste, überhaupt nicht mehr in die Städte zu gehen. Aber würden wir zu Fuß jemals den ganzen Weg bis nach Ottawa schaffen?
    Der Wind pfiff durch die Zweige der Bäume. Schneeflocken wehten herunter. Eine landete auf meiner Nase und schmolz dort.
    »Das hättest du nicht tun dürfen«, sagte ich schließlich. »Du bist direkt auf ihn zugelaufen …«
    »Wir wussten schließlich nicht, was er vorhatte«, erwiderte Gav mit einem leicht scharfen Unterton in der Stimme. »Er hätte die Schlitten demolieren können, sich unser Essen unter den Nagel reißen – die Impfstoffproben vernichten! Ist der Impfstoff nicht überhaupt das Allerwichtigste?«
    Ich wollte nein sagen. Er war nicht wichtiger als Gavs Leben. Doch hatte ich nicht schon durch mein Einverständnis, mich zu begleiten, zugelassen, dass er sein Leben für den Impfstoff riskierte?
    »Ich behaupte ja nicht, dass es besonders schlau von mir war«, fuhr er fort. »Ich hatte auch keine Zeit, groß darüber nachzudenken. Es passierte im Bruchteil einer Sekunde – da hab ich eben reagiert.«
    »Ich weiß«, sagte ich. »Ich wünschte mir nur, deine spontanen Reaktionen wären ein bisschen weniger gefährlich.«
    Er lachte, ein klein wenig schroff vielleicht. »Hey«, sagte er, »immerhin hab ich was Nützliches gemacht. Jedenfalls nützlicher als alles, was ich sonst getan habe, seit wir die Insel verlassen haben.«
    »Das ist nicht wahr«, antwortete ich, aber vielleicht war es das doch. Auf der Insel hatte er die Essensausfahrten gehabt, die Freiwilligen organisiert und sich den Feuerwehrhelfern angeschlossen, als die Gang versuchte, noch mehr Häuser niederzubrennen. Jetzt hatten wir nur noch ein Ziel: in Ottawa anzukommen. Und bisher hatte es rein gar nichts gegeben, was Gav hätte tun können, um die Reise dorthin irgendwie schneller oder weniger anstrengend zu machen.
    Im Grunde wollte er noch nicht einmal hier sein. Er wollte wieder auf der Insel sein, wollte den Menschen dort helfen, sich von dem Hubschrauberangriff zu erholen.
    »Danke«, sagte ich. »Wahrscheinlich wäre es mir lieber, du würdest das nicht wiederholen, aber ich bin trotzdem froh, dass unseren Sachen nichts passiert ist, und uns auch nicht.«
    Ich nahm seine Hand, und seine Mundwinkel zogen sich fast unmerklich nach oben. Als die Bäume um uns herum sich lichteten, konnten wir den Himmel sehen. Er hatte sich inzwischen komplett mit dicken grauen Wolken zugezogen. Ich blinzelte die Schneeflocken weg, die mittlerweile schneller fielen.
    »Wir sollten bald irgendwo Schutz suchen«, sagte Leo. »Sieht aus, als wär da ein ordentlicher Schneesturm unterwegs. Wie weit ist es noch bis zur nächsten Stadt?«
    Die Landkarte hatte sich inzwischen förmlich in mein Hirn gebrannt. »Mindestens vier Kilometer«, antwortete ich und sah mich um. »Aber es müsste eigentlich auf dem Weg dahin ein paar Bauernhöfe geben.«
    »Ich glaube, ich kann da drüben ein Haus erkennen«, sagte Tessa und zeigte mit dem Finger darauf. Ich folgte ihrem Blick. Wenn ich die Augen zusammenkniff, konnte ich die schwachen Umrisse eines Gebäudes sehen. Es wirkte irgendwie seltsam durchscheinend, als wäre es nicht ganz real.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob

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