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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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aufgestellt hatten. »Hey!«, rief Gav und lief schnell voraus. Ich folgte ihm, verlangsamte jedoch mein Tempo, als ich einen langen dünnen Schwanz erkannte.
    »Das ist doch kein Hase«, sagte ich und überwand mich, die letzten Schritte bis zu Gav weiterzugehen.
    Es war eine Katze, braun getigert, ihr dürrer Körper ganz steif, der Kopf völlig verdreht an der Stelle, wo sie versucht hatte, sich aus der Falle zu befreien. Ich schloss die Augen. So wie sie aussah, wäre sie vermutlich ohnehin bald gestorben, entweder verhungert oder erfroren. Vielleicht hatten wir dem Tier sogar einen Gefallen getan. Was mir allerdings Magenschmerzen bereitete, war das, was wir eventuell jetzt mit ihr machen würden.
    »Scheint nicht gerade viel Fleisch dran zu sein«, sagte Gav leicht verunsichert. Ich spürte, wie er mich beobachtete. Und plötzlich überkam mich der Drang, auf irgendetwas einzuschlagen. Das war alles wegen des Virus. Das Virus war schuld, dass wir hier festsaßen, ohne Heizung, ohne Essen, ohne Menschen, die uns helfen konnten. Das Virus hatte uns in diese Lage gebracht, in der wir in Erwägung ziehen mussten, etwas zu essen, das einmal das Haustier von jemandem war. Ich hasste es. Ich hasste es so sehr!
    Aber ich würde auf keinen Fall zulassen, dass es uns besiegte, koste es, was es wolle.
    Ich zwang mich, mit den Schultern zu zucken, und atmete meinen Ärger irgendwie weg.
    »Ein bisschen Fleisch macht vielleicht den Unterschied zwischen einen Tag länger durchhalten und … gar nicht durchhalten, oder?«
    »Stimmt.« Er hockte sich an den Busch. »Ich glaube, sie ist zum größten Teil gefroren. Wir könnten sie in Schnee packen, damit sie das auch bleibt, und sie nicht verwenden, wenn wir nicht unbedingt müssen.«
    Ich nickte. »Lass uns eine Tüte holen. Ich möchte nicht, dass Meredith sie sieht.«
    Wortlos gingen wir zurück zum Haus, doch direkt vor der Tür drehte Gav sich zu mir um und berührte mein Gesicht. Tränen schossen mir in die Augen. Ich blinzelte, versuchte sie zu vertreiben.
    »Mir geht’s gut«, versicherte ich. »Alles bestens, ich will bloß weg hier.«
    »Da wären wir ja schon zwei«, erwiderte er mit einem verschmitzten Lächeln.
    Mit einer Tüte bewaffnet ging er zurück, um die Katze zu holen und verstaute sie anschließend auf seinem Schlitten. Wir erwähnten sie nicht weiter.

    Erst nachdem die Sonne ihren Bogen am Himmel gezogen hatte und schon langsam wieder hinter den Bäumen versank, erreichten wir sechs die nächste Stadt. Tobias sah sie zuerst und zeigte auf die kleine Ansammlung schneebedeckter Dächer in der Ferne. Am darüberliegenden Horizont ballten sich dicke Wolken zusammen.
    Schweigend liefen wir alle einen Schritt schneller, um die letzten Meter freien Felds zu überqueren. Weil es wärmer geworden war, hatten wir unsere Jacken geöffnet und unsere Schals gelockert, aber der pappige Schnee bremste unsere Schlitten. Jeder einzelne meiner Muskeln von den Füßen bis zur Hüfte brannte wie Feuer.
    Die Stadt schien ungefähr dieselbe Größe zu haben wie die, in der wir den Truck verloren hatten. Als wir die erste Straße entlangliefen, nahm ich Meredith an der Hand, so dass beim Gehen unsere Schlitten aneinanderstießen. Die Leere hatte beinahe etwas Beruhigendes. Ich wünschte mir, wir wären die Einzigen dort.
    Wir blieben nicht stehen, gingen nur ab und zu langsamer, um unsere Blicke durch die Gassen gleiten zu lassen. Nach den ersten Querstraßen kamen wir an zwei Autos vorbei, die jedoch beide zu klein waren. Dann bemerkte ich einen schwarzen Pick-up am Ende einer Auffahrt, die Ladefläche voll mit halbgeschmolzenem Schnee.
    »Meint ihr, der würde es tun?«, fragte ich.
    »Einen Versuch ist es wert«, antwortete Gav und bekam strahlende Augen. »Lasst uns mal einen Blick drauf werfen.«
    Wir trabten alle zusammen die Auffahrt hinauf. Tobias versuchte es an der Fahrertür. Sie ließ sich öffnen, aber er schüttelte den Kopf.
    »Sieht aus, als hätte schon jemand versucht, ihn kurzzuschließen, der keine Ahnung davon hatte«, sagte er. Einzelne Kabel baumelten neben dem Lenkrad. »Ich nehme mal an, von euch weiß keiner, wie man das wieder hinkriegt, oder? Ich tu’s jedenfalls nicht.«
    Gav schüttelte den Kopf und trat gegen einen der Reifen.
    »Dann suchen wir eben weiter«, sagte Tessa ruhig. »Früher oder später … »
    Sie wurde von einer Stimme vom anderen Ende der Auffahrt unterbrochen. »Hey! Ist schon ’ne Ewigkeit her, dass ich jemanden hier

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