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Und wenn wir fliehen (German Edition)

Und wenn wir fliehen (German Edition)

Titel: Und wenn wir fliehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Crewe
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es vielleicht machen könnten.« Die Gegend schien, nach dem was ich davon gesehen hatte, keine sonderlich gute Infrastruktur zu haben, aber ich hatte ja auch nicht mit Strom oder Heizung gerechnet.
    Der Junge verzog keine Miene. »Vielleicht lügst du«, sagte er.
    »Oder du«, antwortete Leo.
    »Da müssten wir ja total bescheuert sein, wenn wir unsere Knarren in einer verschlossenen Kiste rumtragen würden statt am Körper, wo wir im Ernstfall auch drankommen, meinst du nicht?«, fragte Tobias.
    Der Junge verdrehte die Augen. »Okay, okay«, sagte er. »Schon gut, reg dich ab. Aber geht mal lieber nicht davon aus, dass ihr so schnell irgendwohin gehen werdet. Das ist, wie schon gesagt, nicht meine Entscheidung.« Er ließ sich wieder auf seine Kiste sinken. »Macht’s euch lieber bequem. Wie es draußen so aussieht, werdet ihr bestimmt hier übernachten.«

    Das Sonnenlicht, das durch die offene Hüttentür schien, weckte mich. Als ich den Kopf hob, schmerzte mein Nacken. Irgendwann in der Nacht hatten wir auf der Matratze ziemlich seltsame Schlafstellungen eingenommen: Meredith zusammengerollt an meiner Schulter, Gav, den Arm um den Kopf gelegt an meiner Seite, Tessa in die eine Ecke gequetscht. Leo war zu ihr hingerutscht und schlummerte mit dem Kopf auf dem Bettkasten. Sogar im Schlaf wirkte sein Gesicht noch angespannt. Tobias saß noch immer an die Wand gelehnt, die dürren Beine an den Körper gezogen, den Blick wachsam und misstrauisch auf die Frau gerichtet, die im Türrahmen stand.
    Sie trat ein und musterte uns über den dunklen Rand der Brille hinweg, die oberhalb ihrer Schutzmaske saß. Ihr kastanienbraunes mit grauen Strähnen durchzogenes Haar reichte ihr knapp bis auf die breiten Schultern. Der Junge mit dem Revolver drückte sich hinter ihrem Rücken herum.
    Mir fiel auf, dass sie sich ähnlich sahen. Mutter und Sohn, schätzte ich.
    Ich schob mich in eine aufrechte Position und stieß dabei mit den Füßen an die Kühlbox am Bettrand. Der Blick der Frau fiel darauf, und dann sah sie mich an. Gav räkelte sich und gähnte.
    »Justin hat mir erzählt, ihr hättet einen Impfstoff«, sagte die Frau resolut, und Gav schreckte hoch, als er die fremde Stimme hörte.
    »Das ist richtig«, antwortete ich.
    »Einen wirksamen Impfstoff?«
    »Er wurde noch nicht gründlich getestet«, erwiderte ich. »Aber mein Dad war zuversichtlich genug, um ihn an sich selbst auszuprobieren. Und er ist nicht krank geworden.«
    Die Frau sah uns prüfend an. »Kann ich ihn sehen?«, fragte sie.
    Eigentlich war es mir nicht recht, aber wir konnten nicht erwarten, dass sie uns alles einfach so glaubten. Wenigstens machte diese Frau den Eindruck, als könnte sie Entscheidungen treffen. »Aber schnell«, sagte ich. »Wir müssen die Proben kühl halten.«
    Sie nickte und kam quer durchs Zimmer. Neben mir regte sich Meredith und wurde blinzelnd wach. Ich klappte den Deckel auf und zog das obere Ende des Plastikbehälters, in dem sich die Ampullen befanden, heraus.
    »In Ordnung«, sagte die Frau rasch, und ich machte die Box wieder zu. »Wenn das wirklich ein Impfstoff ist, dann kannst du mir doch sicher erzählen, wie er wirkt?«
    Es sollte wohl ein Test sein, aber den konnte ich leicht bestehen. Ich hatte in den letzten Wochen mehr über Impfstoffe gelesen, als ich je hatte wissen wollen.
    »Der Impfstoff enthält eine abgetötete Variante des Virus«, erklärte ich. »Man kann davon nicht krank werden, aber sie regt das Immunsystem an, Antikörper zu produzieren. Was bedeutet, dass der Körper das richtige Virus sofort erkennt, wenn man ihm später irgendwann ausgesetzt ist, und die Antikörper es schnell genug bekämpfen und abtöten können, bevor es einen richtig erwischt.«
    »Angenommen, wir hätten hier jemanden, der schon krank ist, und wir würden euch Proviant für eine von den Ampullen anbieten? Ihr braucht ja wahrscheinlich nicht alle drei.«
    Ich dachte an unsere schwindenden Essensvorräte, aber das spielte keine Rolle. Ich hatte nicht vor zu lügen.
    »Es würde demjenigen nichts nützen«, erwiderte ich. »Wie ich schon sagte, der Impfstoff wappnet das Immunsystem für den Fall, dass man sich irgendwann später ansteckt. Wenn jemand schon infiziert ist, ist es bereits zu spät – dann hilft er nicht mehr. Tut mir leid.«
    Noch bevor ich aufgehört hatte zu sprechen, legte sich ihre Schutzmaske vor einem unsichtbaren Lächeln in kleine Fältchen, und mir wurde klar, dass das auch noch Teil des Tests gewesen

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