Und wieder Carmel
schüchtert mich ein. Stumm sitze ich neben ihm, da ich weiß,
dass er nicht mit mir sprechen will. Er vermeidet wieder Augenkontakt und alles
was er hier für mich tut, ist erzwungen. Meine Gedanken schweifen ab in die
Vergangenheit, damals, als sich zwischen uns alles änderte und als ich bei ihm
und seinem Vater in der Werkstatt arbeitete .
Paul hatte mir einen Werkstattoverall gegeben
und als ich den viel zu großen Anzug an und Armen und Beinen umgekrempelt
hatte, sah ich, dass mein Name über der rechten Brusttasche eingestickt war.
Verwundert blickte ich zu Alex.
„Meine Mom vergöttert dich“, erklärte er.
„Wann hat sie das denn gemacht?“
„Gestern Abend, vor dem Fernseher.“
„Das ist echt süß.“ Ich lächelte Alex an und der grinste nur, weil ich recht
albern in der Montur aussah.
„Meine Sportklamotten standen dir wesentlich besser“, sagte er und schraubte
eine weitere Mutter los.
„Ach ja, ich muss sie noch auswaschen, dann bring ich sie wieder mit.“
„Nur keine Eile, ich darf diese Saison eh nicht spielen.“
Ich war überrascht, dass wir uns plötzlich so gut verstanden. Dennoch blieb ich
in Habachtstellung, aus Angst, er könnte schlagartig wieder abweisend und
gemein werden. Die Gespräche mit Alex drehten sich zum größten Teil um
Schrauben, Muttern, Reifen und Felgen, aber es machte mir Spaß, ihm zuzuhören.
Die Zeit verging wie im Flug und als wir später wieder im Truck auf dem
Nachhauseweg waren, bog Alex plötzlich in eine schmale Seitenstraße ein. Was
kommt denn jetzt, fragte ich mich? Er stoppte den Wagen und sagte: „Bist du
bereit?“
„Bereit, wofür?“
„Für deine zweite Fahrstunde. Ich hatte dir ja gesagt, dass wir das unbedingt
üben müssen.“
„Jetzt? Mit dem Wagen?“
„Ja. Der Wagen ist perfekt, groß, robust und lässt sich viel leichter lenken.“
Mit diesen Worten sprang er aus dem Wagen und öffnete wenig später meine
Beifahrertür von außen. „Auf geht’s.“
Ich wechselte auf die Fahrerseiten und wiederholte die Handgriffe und trat die
Pedale, wie Alex es mir beim letzten Mal gezeigt hatte.
Mit zittrigen Händen saß ich am Steuer und legte den Vorwärtsgang ein. Ich fuhr
die schmale Straße entlang, die vor einem eingezäunten Gebäude endete. Alex
erklärte mir, dass es sich hier um die Wasseraufbereitungsanlage handelte und
viele würden die Straße und auch den davor liegenden Parkplatz als
Fahrübungsstrecke nutzen. Er stieg aus dem Wagen und stellte kleine rot-weiß
gestreifte Hütchen auf, die ich beim Einparken nicht
umfahren durfte.
„Geht doch“, rief er, als ich sie nach dem gefühlten tausendsten Versuch nicht
überfahren hatte. „Und jetzt rückwärts.“
„Rückwärts?“, rief ich erschrocken.
„Ja, keine Angst.“ Alex beobachtete das Ganze von einer sicheren Position
außerhalb des Wagens und rief mir Dinge zu wie: „Fast perfekt“, soll heißen,
das Hütchen ist umgefallen. Oder: „Versuchs noch
mal“, was so viel hieß wie: wenn es ein Mensch gewesen wäre, wäre er jetzt tot.
Ich war traurig und erleichtert zugleich, als mein „Fahrunterricht“ beendet war
und Alex wieder am Steuer saß. Ich sah zu ihm hinüber und im Gegensatz zu
seinem sonst so starren und eher traurigen Gesichtsausdruck lächelte er ein
wenig und schien fröhlich zu sein. Er setzte mich zu Hause ab und verabschiedete
sich mit den Worten: „Bis Morgen.“
„Bis Morgen.“
Am nächsten Tag hatte mich Alex von der
Schule abgeholt und mich mit seinem Mustang fahren lassen. Dieses Mal war ich
erfolgreich und konnte ihn schmerzfrei zur Werkstatt fahren. Ich erledigte erst
den Papierkram mit Victoria, ordnete alles im Büro ein und half dann Alex bei
der Einstellung eines Motors, wobei ich nur im Auto saß und auf Anweisung Gas
gab oder den Motor neu startete. Unsere Unterhaltung beschränkte sich
hauptsächlich auf das Auto und langsam hatte ich mich an die Arbeit mit Alex
und Paul gewöhnt. Als Paul die Werkstatt schloss, sagte er zu seinem Sohn: „Wir
sollten Anna als Lehrling einstellen, sie hat das Zeug zum Mechaniker.“
„Ja, sie weiß zwar nicht, was ein Buick ist, aber das Werkzeug kennt sie schon
sehr gut.“
Die Männer lachten und ich freute mich über ihre Komplimente, während ich
versuchte, meinen Overall auszuziehen. Ich zog an einem Hosenbein, wobei ich in
dem anderen noch drin steckte und verlor unglücklicherweise den Halt. Hüpfend
und in gebeugter Haltung versuchte ich, meine Balance zu behalten. Mit Schwung
streifte ich
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