Und wieder Carmel
„Anna, der Abschlussball, wir müssen uns
noch umziehen.“
„Oh Gott, den hab ich total vergessen“, erschrak ich.
Meine Mutter fragte mich, was los sei und ich erklärte ihr, dass ich mich jetzt
fertig machen müsse und ob ich sie bei den Larsons und Walkers allein lassen
könnte. Meine Mutter winkte beruhigend ab, der kalifornische Wein schien ihr zu
schmecken und wirkte obendrein noch beruhigend auf sie.
Alex fuhr nach Hause und ich zog mir mein Ballkleid an, dass Jamie für mich
gekauft hatte. Ein bodenlanges dunkelrotes Kleid aus Chiffon, mit schmalen
Trägern und einem gerafften Dekolletee. An der Taille war es eng geschnitten
und nach unten hin wurde es immer weiter. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin.
Meine Haare toupierte ich ein wenig am Haaransatz und befestigte den langen
Pony mit einer Spange am Hinterkopf.
Ein wenig gehetzt und aufgedreht schwebten Amy und ich in unseren Kleidern die
Treppe hinunter. Meine Mutter strahlte mich an und ich sah Freudentränen in
ihren Augen, ebenso wie bei Jamie. Alex und Peter warteten schon im Flur und
Alex‘ Augen bestaunten mich beeindruckt. Er gab mir einen Kuss, als ich bei ihm
ankam und er nahm meine Hand. Sein Anzug saß wie angegossen und er wirkte
elegant und stolz. Die Eltern fotografierten uns bevor wir das Haus verließen
und zur Schule fuhren.
Ich hatte Mühe mich auf das Fest zu konzentrieren, saßen doch meine Eltern
beisammen und berieten sich über den Verlauf meines weiteren Lebens. Der
Gedanke, sie könnten Nein sagen und mich wieder nach Deutschland schleifen,
schnürte mir die Kehle zu. Alex ließ mich den ganzen Abend nicht los, wir
hielten uns an den Händen, als wäre es unser letzter gemeinsamer Abend. Wir
tanzten einen gemeinsamen Tanz, unseren ersten gemeinsamen Tanz. Genießen
konnte ich ihn jedoch nicht.
Als ich wieder zu Hause war und mich von Alex länger als eine Stunde im Auto
verabschiedet hatte, ging ich ins Haus. Alles war dunkel und kein Mucks war zu
hören. Wie es schien, waren alle schon schlafen gegangen.
Ich schlich nach oben in mein Zimmer und legte mich ebenfalls in Bett.
Am nächsten Morgen wachte ich durch ein
Klopfen an der Tür auf .
„Ja?“, rief ich.
Meine Mutter betrat das Zimmer. „Guten Morgen, Kind.“
„Morgen Mom.“
„Na, war es schön gestern?“
„Ja, sehr schön.“
Sie setzte sich auf den Rand meines Bettes und lächelte. Ein Lächeln, das ich
nur allzu gut kannte. „Dein Vater und ich haben uns unterhalten.“
„Ja, und?“
„Dein Alex ist ein wirklich feiner Junge, aber...“
„Nein, Mom, nein, ich will hier bleiben“, protestierte ich .
„Das können wir nicht zulassen.“
Ich sprang aus dem Bett: „Wieso nicht? Es ist doch für alles gesorgt. Ich mache
meinen Abschluss, gehe aufs College…“
„Das klingt alles gut durchdacht, aber was ist, wenn ihr euch streitet oder
wenn er ein anderes Mädchen in L.A. kennenlernt.“
„Das wird er nicht und wir streiten nicht“, rief ich wütend.
„Ich verstehe ja, dass du verliebt bist und dass du nicht von ihm weg möchtest,
aber du hast noch dein ganzes Leben vor dir und du wirst noch viele andere
Jungen kennenlernen.“
„Ich will aber keinen anderen.“ Bockig griff ich nach meiner kurzen Hose und
meinem Shirt, die auf dem Stuhl neben mir lagen und rannte hinaus. Ich schloss
mich im Badezimmer ein, zog mich um, als mir die ersten Tränen über das Gesicht
liefen. In Windeseile stürmte ich aus dem Haus und radelte zu Alex. Der öffnete
mir nach meinem wilden Klingeln die Haustür und nahm mich wortlos in den Arm.
Ich brauchte ihm nicht erklären, warum. Er brachte mich in sein Zimmer. Dort
lagen wir dann den ganzen Tag eng umschlungen auf seinem Bett und hörten Musik.
Alex dachte nach und ich lag still an seiner Seite. Der einzige Ort, an dem ich
sein wollte.
Am Abend kam Glen vorbei, um mich abzuholen.
„Ich geh nicht mit“, sagte ich zu Alex .
„Du musst.“
„Alex!“, rief ich entsetzt.
„Hör zu, mein Engel, ich lass mir was einfallen. Geh mit Glen, wir wollen deine
Eltern nicht verärgern.“
„Es sind noch zwei Tage, Alex.“
„Ich weiß. Vertrau mir.“
„Ok.“
Er brachte mich nach unten und übergab mich Glen. Der nickte dankend und fuhr
mich zurück zu meinen Eltern. Meine Mutter hatte demonstrativ angefangen, meine
Sachen zu packen. Als ich mein Zimmer betrat, sagte sie schroff: „Du wirst den
Rest der Zeit hier bei uns bleiben, meine Liebe, mir reicht es langsam. Der
Umgang hier scheint dir nicht zu bekommen,
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