Undank Ist Der Väter Lohn.
Personal wird vor der Einstellung gründlich überprüft.«
Als sie eine Pause einlegte, um Luft zu holen, warf Lynley ein:
»Madame, wenn wir Ihren Betrieb schließen wollten –«
»Das können Sie gar nicht. Es ist ein privater Club, wie ich Ihnen schon gesagt habe. Unser Anwalt hat uns über unsere Rechte umfassend aufgeklärt.«
»Das freut mich«, erwiderte Lynley, um Geduld bemüht. »Ich stelle immer wieder fest, daß der Durchschnittsbürger auf der Straße erstaunlich schlecht informiert ist. Aber da das für Sie nicht zutrifft, werden Sie wissen, daß wir kaum mit dem Dienstausweis in der Hand bei Ihnen vorsprechen würden, wenn wir die Absicht hätten, Ihren Betrieb zu schließen. Mein Kollege und ich sind keine verdeckten Ermittler, wir sind bei der Kriminalpolizei.«
Nkata, der schweigend danebenstand, machte ein Gesicht, als wüßte er nicht so recht, wohin er seinen Blick richten sollte. Das Dekollete der Frau war direkt in seinem Blickfeld, und er hatte zweifellos noch nie zuvor Gelegenheit gehabt, etwas zu betrachten, dessen Anblick so wenig ergötzlich war.
»Wir suchen eine junge Frau namens Shelly Platt«, erklärte Lynley der Empfangsdame. »Uns wurde gesagt, daß Ihr Barkeeper weiß, wo sie zu finden ist. Wenn Sie so freundlich wären, ihn heraufzuholen, können wir hier oben mit ihm sprechen. Aber wir können auch nach unten gehen. Das liegt ganz bei Ihnen.«
»Er arbeitet gerade«, sagte sie.
»Genau wie wir.« Lynley lächelte. »Und je früher wir mit ihm sprechen können, desto schneller sind wir wieder von hier verschwunden.«
»Na, schön«, erwiderte sie widerstrebend und tippte am Telefon eine Nummer ein. Während sie sprach, behielt sie Nkata und Lynley fest im Blick als fürchtete sie, die beiden könnten sonst kurzerhand die Treppe hinunterstürmen. Sie sagte: »Ich hab hier oben zwei Polizisten, die eine Shelly Platt suchen ... sie behaupten, du kennst sie ... nein. Kripo. Willst du raufkommen, oder soll ich ... bist du sicher? Gut. Geht in Ordnung.« Sie legte auf und wies mit einer Kopfbewegung zur Treppe. »Sie sollen runterkommen. Er kann nicht von der Bar weg, weil er im Moment allein ist. Fünf Minuten kann er für Sie lockermachen, sagt er.«
»Sein Name?« fragte Lynley.
»Sie können ihn Narbe nennen.«
»Mr. Narbe?« erkundigte sich Lynley trocken.
Die Frau unterdrückte ein Lächeln. »Sie haben ein hübsches Gesicht, junger Mann, aber treiben Sie’s nicht zu weit.«
Sie stiegen die Treppe hinunter in einen Korridor mit roten Lampen, deren Licht auf kahle, schwarz gestrichene Wände fiel. Ganz am Ende hing ein schwarzer Samtvorhang vor einer Türöffnung. Dahinter befand sich offensichtlich der Club. Musik strömte wie Licht durch den Samt; nicht die heiseren Heavy-Metal-Rhythmen von Rockgitarren, die wie aufs Rad gespannte Roboter kreischten, sondern Klänge, die sich eher wie die Gesänge gregorianischer Mönche auf dem Weg zum Gebet anhörten. Sie waren jedoch sehr viel lauter als aus Mönchskehlen, als verlangte das ablaufende Ritual eher kraftvolle Töne als Bedeutung. »Agnus dei qui tolis pecata mundi«, sangen die Stimmen. Und wie in Antwort darauf knallte ein Peitschenschlag.
»Ah! Willkommen in der Sado-Maso-Szene«, sagte Lynley zu Nkata, als er den Vorhang zur Seite zog.
»Du Schreck, was meine Mama wohl dazu sagen würde?« antwortete der Constable.
Es war Samstag am frühen Nachmittag, und Lynley hätte erwartet, den Club um eine solche Zeit menschenleer vorzufinden, aber das war nicht der Fall. Zwar war anzunehmen, daß mit dem Einbruch der Nacht noch weit mehr Mitglieder aus den Löchern hervorkriechen würden, in denen sie sich tagsüber versteckt hielten, aber schon jetzt waren genug Anhänger von Züchtigung und Folter versammelt, um eine Vorstellung davon zu geben, wie es in The Stocks zuging, wenn es wirklich voll war.
Den Ehrenplatz in der Mitte des Raums nahm das mittelalterliche Folterinstrument ein, dem der Club seinen Namen verdankte, der Stock. Er war groß genug, um fünf Übeltätern zugleich Platz zu bieten, im Augenblick jedoch hing nur ein Sünder in den Ketten, um die Strafe für begangene Missetaten in Empfang zu nehmen: Ein breitschultriger Mann mit glänzendem Kahlkopf wurde von einer drallen Frau ausgepeitscht, die bei jedem Schlag »Du Böser! Du Böser! Du Böser!« schrie. Er war nackt; sie hatte ein schwarzes Lederkorsett und Spitzenstrümpfe an. An den Füßen trug sie Schuhe mit derart hohen Absätzen, daß
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