Undank Ist Der Väter Lohn.
Dad?«
Er sprach klar und deutlich, Anlaß genug für Julian, einen neugierigen Blick auf das Glas in seiner Hand zu werfen. Die farblose Flüssigkeit ließ Gin oder Wodka vermuten. Aber es war ein großes Glas, und da es höchstens zu einem Viertel gefüllt war und Jeremy niemals eine so bescheidene Menge in ein Glas gegossen hätte, das weitaus mehr faßte, und da ihm jedes Wort klar verständlich über die Lippen kam, konnte das nur bedeuten, daß das Glas weder Wodka noch Gin enthielt. Und das wiederum mußte heißen ... Julian zweifelte an seinem Wahrnehmungsvermögen. Großer Gott, er war wirklich nahe daran überzuschnappen.
»Aber natürlich.« Er mußte sich zusammennehmen, um nicht auf das Glas zu starren, oder an seinem Inhalt zu riechen.
Aber Jeremy wußte Bescheid. Lächelnd hob er das Glas und sagte: »Wasser. Das gute alte einheimische H2O. Ich hatte schon beinahe vergessen, wie es schmeckt.«
Der Anblick seines wassertrinkenden Vaters warf Julian beinahe um. »Wasser?« fragte er verdutzt.
»Das beste, das es gibt. Ist dir schon mal aufgefallen, mein Junge, daß das frische Wasser direkt aus unserem eigenen Grund und Boden besser schmeckt als alles, was man in Flaschen bekommt? Ich meine, in Flaschen abgefülltes Wasser«, fügte er lächelnd hinzu. »Evian, Perrier. Du weißt schon.« Er hob das Glas an den Mund und trank einen Schluck, schmatzte genießerisch.
»Also, hast du einen Moment Zeit für deinen Dad? Ich möchte dich um deinen Rat bitten, mein Junge.«
Verwirrt, mißtrauisch, erstaunt über die plötzliche Wandlung – die, wie Julian schien, aus heiterem Himmel eingetreten war –, folgte er seinem Vater ins Wohnzimmer. Dort setzte Jeremy sich in seinen gewohnten Sessel, nachdem er einen zweiten herumgezogen und gegenüber aufgestellt hatte. Mit einer Geste forderte er Julian auf, dort Platz zu nehmen. Julian tat es zögernd.
»Ist dir wohl beim Mittagessen gar nicht aufgefallen, was?« fragte Jeremy.
»Was ist mir nicht aufgefallen?«
»Das Wasser. Daß ich nur Wasser getrunken hab. Sonst nichts. Hast du das nicht gesehen?«
»Nein, tut mir leid. Ich hatte andere Dinge im Kopf. Aber ich bin froh darüber, Dad. Das ist wunderbar.«
Jeremy nickte, sichtlich zufrieden mit sich selbst. »Weißt du, ich habe in der letzten Woche mal gründlich nachgedacht, Julie. Und ich habe mir folgendes überlegt: Ich werde eine Kur machen. Ich spiele schon lange mit dem Gedanken, schon seit ... ach, ich weiß gar nicht mehr, seit wann. Und ich glaube, es ist an der Zeit.«
»Du willst aufhören? Mit dem Trinken? Du willst wirklich aufhören zu trinken?«
»Irgendwann muß mal Schluß sein. Ich bin jetzt seit – seit ungefähr fünfunddreißig Jahren praktisch immer blau gewesen. Mal sehen, ob ich die nächsten fünfunddreißig Jahre nüchtern schaffe.«
Einen ähnlichen Entschluß hatte sein Vater auch früher schon gelegentlich verkündet. Aber im allgemeinen immer dann, wenn er betrunken oder völlig verkatert gewesen war. Diesmal schien er jedoch weder das eine noch das andere zu sein.
»Du willst zu den Anonymen Alkoholikern gehen?« fragte Julian. Es gab Treffen in Bakewell, ebenso in Buxton, Matlock und Chapel-le-Frith. Julian hatte in jedem der Orte angerufen und um Zusendung von Informationsblättern gebeten, die nach ihrem Eintreffen prompt weggeworfen worden waren.
»Ja, weißt du, genau darüber wollte ich mit dir sprechen«, erwiderte Jeremy. »Wie ich diesen Teufel, der mir da im Nacken sitzt, am besten loswerden kann. Und ich glaube ich habe die Lösung gefunden, Julie.« Er breitete die Broschüren, die er mitgebracht hatte, auf Julians Knien aus. »Das sind verschiedene Kliniken«, erklärte er. »Wo man den Entzug machen kann. Man geht für einen Monat rein – oder zwei oder auch drei, wenn’s nötig ist – und macht eine Kur mit vorgeschriebener Diät, viel Bewegung, Sitzungen beim Psychologen und dem ganzen Drum und Dran. So fängt man an, und wenn man dann auf den Trichter gekommen ist, geht man zu den AA. Schau dir die Prospekte mal an, mein Junge. Sag mir, was du davon hältst.«
Julian brauchte sich die Broschüren gar nicht erst anzusehen, um zu wissen, was er von dem Vorschlag seines Vaters hielt. Diese Kliniken waren alle privat. Teuer. Um diese Preise zu bezahlen, müßte er die Renovierungsarbeiten am Haus aufgeben, seine Hunde verkaufen und sich eine feste Anstellung suchen. Und das wäre das Ende seines Traums, das alte Gut wieder zum Leben zu erwecken
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