Undank Ist Der Väter Lohn.
erwischte, und darum ist er im allgemeinen brav gekommen. Aber Spaß hat es ihm nicht gemacht. Und er hat es einen immer merken lassen, wenn ihm etwas zuwider war. Er war ein typischer Künstler.«
»Das muß kränkend gewesen sein.«
»Ab und zu, ja. Aber zu der Zeit waren meine Eltern schon geschieden, da waren meine Schwester und ich froh, wenn er sich überhaupt einmal Zeit für uns nahm.«
»Und wo ist Ihre Schwester jetzt?«
»Isadora? Sie arbeitet als Kostümbildnerin. Vor allem für die Royal Shakespeare Company.«
»Sie sind also beide in seine Fußstapfen getreten.«
»Das gilt eigentlich mehr für Isadora als für mich. Sie ist die Kreative. Ich bin nur Buchhalter.«
Mit einem alten Blechtablett in den Händen, auf dem zwei Becher Kaffee, ein Kännchen Milch und eine Untertasse mit einigen Zuckerwürfeln standen, kehrte er ins Wohnzimmer zurück. Er stellte das Tablett auf einem Stoß Zeitschriften ab, der auf einem Sitzkissen aufgetürmt war, und fügte erläuternd hinzu, daß er der Geschäftsführer und Agent seines verstorbenen Vaters gewesen war. Er hatte die Verträge ausgehandelt, dafür gesorgt, daß die Tantiemen für die zahlreichen Produktionen der Stücke seines Vaters auf der ganzen Welt bezahlt wurden, war für den Verkauf der Rechte an zukünftigen Produktionen zuständig gewesen und hatte die Ausgaben überwacht, wenn die Gesellschaft eine neue Popoper in London auf die Bühne gebracht hatte.
»Dann ist Ihre Arbeit also nicht mit dem Tod Ihres Vaters beendet gewesen.«
»Nein. Denn seine Musik lebt ja weiter. Solange seine Werke irgendwo aufgeführt werden, ganz gleich, wo, geht meine Arbeit weiter. Früher oder später werden wir das Personal der Produktionsgesellschaft sicher verringern, aber irgend jemand muß darauf achten, daß die Rechte gewahrt werden. Und natürlich muß sich jemand um die Stiftung kümmern.«
»Die Stiftung?«
Matthew King-Ryder versenkte drei Stück Zucker in seinem Kaffee und rührte mit einem Löffel mit Keramikstiel um. Sein Vater, erklärte er, hatte vor einigen Jahren eine Stiftung zur Unterstützung und Förderung von Theaterkünstlern ins Leben gerufen. Das Geld wurde dazu verwendet, Schauspielern und Musikern das Studium zu finanzieren, neue Produktionen zu unterstützen, neue Theaterstücke von unbekannten Autoren auf die Bühne zu bringen. Textdichter und Komponisten zu fördern, die am Anfang ihrer Karriere standen. Mit David Kind-Ryders Tod würden alle Gelder aus seiner Arbeit in diesen Fonds fließen. Abgesehen von einem Legat an seine fünfte und letzte Ehefrau hatte David King-Ryder sein gesamtes Vermögen der Stiftung vermacht.
»Das wußte ich gar nicht«, sagte Barbara beeindruckt. »Ihr Vater war ein sehr großzügiger Mann. Anderen so unter die Arme zu greifen.«
»Ja, mein Vater war ein feiner Mensch. Er war nicht gerade der ideale Vater, als meine Schwester und ich noch klein waren, und er hat nichts davon gehalten, andere zu verhätscheln. Aber begabte Leute hat er immer unterstützt, wenn sie bereit waren, auch etwas dafür zu tun. Und das finde ich ganz großartig.«
»Wirklich schlimm, daß es so kommen mußte. Ich meine ... Sie wissen schon.«
»Ja, natürlich. Es war ... ich verstehe es immer noch nicht.«
Matthew King-Ryder starrte in seinen Kaffee. »Das Unverständliche daran war, daß er gerade einen Hit gelandet hatte. Einen Riesenerfolg nach so vielen mageren Jahren. Das Publikum tobte schon, bevor der Vorhang fiel, und er war selbst dabei. Er hat es miterlebt. Sogar die Kritiker waren auf den Beinen. Da konnten die Besprechungen nur gut werden. Das muß er doch gewußt haben.«
Barbara kannte die Geschichte. Sie war noch zu neu, um von anderen, aufregenderen Ereignissen verdrängt worden zu sein. Premiere von Hamlet. Ein glänzender Erfolg nach Jahren des Scheiterns. Kein Abschiedsbrief zur Erklärung seines Entschlusses; der Komponist und Librettist hatte seinem Leben mit einem Kopfschuß ein Ende gesetzt, während seine Frau nebenan ein Bad genommen hatte.
»Sie haben Ihrem Vater doch sehr nahegestanden, nicht wahr«, meinte Barbara, die die Trauer in Matthew King-Ryders Gesicht sah.
»Als Kind und als Jugendlicher nicht. Aber in den letzten Jahren war ich ihm sehr nahe, ja. Nur offensichtlich nicht nahe genug.« Matthew King-Ryder blinzelte ein paarmal und trank einen Schluck von seinem Kaffee. »Aber genug davon. Sie sind schließlich dienstlich hier. Sie sagten, Sie wollten mich wegen dieses jungen Mannes
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