Undank Ist Der Väter Lohn.
und seine Augen brannten vor Müdigkeit. Durchaus logisch, wie er meinte, sagte er: »Helen, was hat das alles mit den Tapeten zu tun?« und wußte sofort, daß er sie irgendwie enttäuscht hatte.
Sie löste sich aus seiner Umarmung. »Schon gut. Dies ist einfach nicht der richtige Moment. Ich habe es gleich gewußt. Ich sehe ja, wie kaputt du bist. Komm, laß uns einfach schlafen gehen.«
Er versuchte, die Situation zu retten. »Nein. Ich will das jetzt hören. Ich gebe zu, daß ich müde bin. Und diese Geschichte von dem tanzenden Wachs habe ich nicht ganz verstanden. Aber ich möchte mit dir reden. Ich möchte dir zuhören. Und ich möchte wissen ...« Was wissen? fragte er sich. Er hätte es nicht sagen können.
Sie runzelte die Stirn bei seinen Worten, ein klares Warnzeichen, das er hätte beachten sollen, was er aber nicht tat.
»Was? Die Geschichte vom tanzenden Wachs? Was redest du da?«
»Ach, gar nichts. Es war blöd. Ich bin ein Idiot. Vergiß es. Bitte. Komm wieder zu mir. Ich möchte dich in den Armen halten.«
»Nein. Erklär mir, was du gemeint hast.«
»Helen, es war nichts. Es war nichts als dummes Geschwätz.«
»Nichts als dummes Geschwätz, das sich aus meiner Erklärung ergeben hat.«
Er seufzte. »Es tut mir leid. Du hast recht. Ich bin völlig erledigt. Und wenn ich erschöpft bin, rede ich oft ohne Sinn und Verstand. Du hast gesagt, zwei deiner Schwestern hätten nicht nach der Pfeife deines Vaters getanzt, während ihr anderen Wachs in seinen Händen gewesen wärt. Und ich habe das eben wörtlich genommen und mir überlegt, wie Wachs nach seiner Pfeife tanzen könnte und ... Bitte, entschuldige. Es war eine dumme Bemerkung. Ich habe nicht mitgedacht.«
»Und ich denke überhaupt nicht«, sagte sie. »Was ja wohl weder für dich noch für mich eine besondere Überraschung sein dürfte. Denn genau das wolltest du ja, nicht wahr?«
»Was?«
»Eine Frau, die nicht denken kann.«
Er fühlte sich geohrfeigt. »Helen, das ist nicht nur absoluter Quatsch, das ist eine Beleidigung für uns beide.« Er ging zum Tisch, nahm sein Gedeck und trug es zum Spülbecken. Er wusch Teller und Besteck ab, starrte viel zu lange in den Wasserstrudel um den Abfluß und sagte schließlich mit einem Seufzen: »Ach, verdammt.« Er drehte sich zu ihr um. »Es tut mir leid, Darling. Ich möchte nicht, daß wir miteinander streiten.«
Ihre Züge wurden weich. »Das tun wir doch gar nicht.«
Er ging zu ihr und zog sie wieder an sich. »Was dann?« fragte er.
»Ich liege mit mir selbst im Streit.«
24
Die Person ausfindig zu machen, die Terry Cole bei der King- Ryder-Produktionsgesellschaft aufgesucht hatte, war nicht so einfach gewesen, wie Barbara Havers sich das nach ihrem Gespräch mit Neil Sitwell zunächst vorgestellt hatte. Auf der Liste der Angestellten, die sie zur Hand hatte, waren an die vierzig Leute aufgeführt, und die meisten von ihnen waren gar nicht zu Hause gewesen. Es waren schließlich Theaterleute, und die hatten, wie sie entdeckte, nicht die Angewohnheit, es sich an einem Samstagabend in ihren eigenen vier Wänden gemütlich zu machen. Erst nach zwei Uhr morgens hatte sie endlich den Mann aufgestöbert, mit dem Terry Cole in dem Haus am Soho Square gesprochen hatte: Matthew King-Ryder, Sohn des verstorbenen Gründers der Produktionsgesellschaft.
Er hatte sich bereit erklärt, sie in seiner Wohnung in der Baker Street zu empfangen – »Aber bitte erst nach neun. Ich brauche dringend ein paar Stunden Schlaf.«
Es war halb zehn, als Barbara die gesuchte Adresse fand. Matthew King-Ryder hatte seine Wohnung in einem dieser riesigen viktorianischen Mietshäuser aus rotem Backstein, die gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts eine Veränderung des Lebensstils vom Hochherrschaftlich-Eleganten zum etwas Maßvolleren und Bescheideneren angezeigt hatten. Relativ gesprochen natürlich. Im Vergleich zu Barbaras Häuschen war King-Ryders Wohnung der reinste Palast, auch wenn sie tatsächlich das Produkt einer dieser Umbaumaßnahmen zu sein schien, bei denen ehemals großzügig angelegte Zimmerfluchten in mehrere kleinere Wohneinheiten zerstückelt worden waren, ohne Rücksicht auf Luft- und Lichtzufuhr und einzig zu dem Zweck, dem Hauseigentümer die Taschen zu füllen.
Diesen Eindruck jedenfalls hatte Barbara von der Wohnung, als Matthew King-Ryder sie einließ. Er wies auf einen Stapel Gerümpel und Müllsäcke, der vor seiner Wohnungstür auf Abholung wartete, und sagte: »Entschuldigen
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