Undank Ist Der Väter Lohn.
über Julians Erscheinen in ihrem kleinen Reich. Schlagartig hörten sie auf zu spielen und sprangen ihm entgegen, voller Gier nach neuer Abwechslung. Er sprach leise mit ihnen, tätschelte ihnen die Köpfe und warf vier Bälle und mehrere Gummiknochen ans andere Ende des Geheges. Als die ganze Meute ihnen hinterherflitzte, ging er daran, das Labyrinth auseinanderzunehmen, dessen einzelne Teile einfach mit Hilfe von Holzdübeln zusammengesteckt waren.
»Wir haben gehört, daß Sie sich erst vor kurzem mit Nicola Maiden verlobt hatten«, bemerkte Hanken.
»Wir bedauern Ihren Verlust«, fügte Lynley hinzu. »Ich kann mir vorstellen, daß Sie über dieses Thema jetzt lieber nicht sprechen würden, aber vielleicht können Sie uns irgend etwas sagen, das uns bei unseren Ermittlungen weiterhilft – möglicherweise etwas, dessen Bedeutung Ihnen selbst noch gar nicht aufgefallen ist.«
Julian stapelte die Wände des Labyrinths. »Ich habe Nicolas Eltern irregeführt«, erwiderte er, ohne von seiner Arbeit aufzusehen.
»Das war in dem Augenblick einfacher, als lange Erklärungen zu geben. Sie wollten immer wieder wissen, ob wir uns gestritten hätten. Alle fragten das, als Nicola nicht auftauchte.«
»Irregeführt? Dann waren Sie also gar nicht mit ihr verlobt?«
Julian blickte flüchtig in die Richtung, in der Samantha verschwunden war, um das Hundefutter zu holen. Dann sagte er gedämpft: »Nein. Ich hab ihr einen Antrag gemacht, und sie hat mich abgewiesen.«
»Die Gefühle beruhten also nicht auf Gegenseitigkeit?« fragte Hanken.
»Nein, wohl nicht, wenn sie mich nicht heiraten wollte.«
Dann kam Samantha wieder, einen großen Jutesack im Schlepptau und die Hosentaschen prall gefüllt mit Hundekuchen. »Warte, Julie, ich helf dir gleich«, rief sie, als sie ins Gehege kam und sah, wie ihr Vetter sich mit einem Teilstück des Labyrinths abplagte, das sich verklemmt hatte.
»Es geht schon«, versetzte er.
»Sei nicht blöde. Du weißt doch, daß ich mehr Kraft hab als du.«
Geschickt und schnell zog sie die beiden Teile auseinander. Julian stand daneben und fühlte sich sichtlich unbehaglich.
»Wann genau war denn das mit dem Heiratsantrag?« fragte Lynley.
Samantha drehte hastig den Kopf nach ihrem Vetter und wandte sich ebenso hastig wieder ab. Mit großem Eifer begann sie, die Hundekuchen überall im Gehege zu verstecken.
»Am Montagabend«, erklärte Julian. »An dem Abend bevor sie – bevor Nicola zu der Wanderung ins Moor aufgebrochen ist.«
Abrupt nahm er seine Arbeit an dem Labyrinth wieder auf. Er hielt den Kopf gesenkt, als er hinzufügte: »Ich weiß, wie das aussieht. Ich mache mir da gar nichts vor. Ich bitte sie, mich zu heiraten. Sie gibt mir einen Korb, und dann stirbt sie. O ja, mir ist völlig klar, wie das aussieht. Aber ich habe sie nicht getötet.« Den Kopf noch immer gesenkt, riß er die Augen weit auf, als könnte er so das Überfließen der Tränen verhindern. Er sagte nur: »Ich habe sie geliebt. Jahre.«
Samantha, die inzwischen das hintere Ende des Geheges erreicht hatte, blieb inmitten der tapsig tollenden Welpenschar wie erstarrt stehen. Es schien, als wollte sie zu ihrem Vetter laufen, aber sie rührte sich nicht.
»Wußten Sie, wo sie an dem Abend sein würde?« fragte Hanken. »An dem Abend, an dem sie ermordet wurde.«
»Ich hab am Morgen noch mit ihr telefoniert – an dem Morgen, an dem sie losgefahren ist –, und wir haben uns für Mittwoch abend verabredet. Sie hat mir nichts erzählt.«
»Nichts von der geplanten Wanderung?«
»Nein, ich hatte keine Ahnung, daß sie überhaupt weg wollte.«
»Sie hat an diesem Tag vor ihrem Aufbruch noch einige andere Anrufe erhalten«, sagte Lynley zu ihm. »Von einer Frau – möglicherweise waren es auch zwei Frauen – und von einem Mann. Keiner der Anrufer hat Nicolas Mutter seinen Namen genannt. Haben Sie eine Ahnung, wer das gewesen sein könnte?«
»Nein.« Julian zeigte keinerlei Reaktion auf die Mitteilung, daß Nicola Maiden von einem Mann angerufen worden war. »Das kann praktisch jeder gewesen sein.«
»Sie war sehr beliebt«, bemerkte Samantha vom anderen Ende des Geheges her. »Sie war hier oben ständig von Leuten umgeben, und sie hat bestimmt auch massenhaft Studienfreunde gehabt. Wahrscheinlich ist sie dauernd von ihnen angerufen worden, wenn sie nicht an der Uni war.«
»An der Uni?« fragte Hanken.
Nicola habe gerade einen juristischen Fachkurs abgeschlossen, berichtete Julian. Und fügte auf die Frage,
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