Undead 09 - Zum Teufel mit Vampiren
manch andere rücke ich mit der Wahrheit heraus: Natürlich denke ich nie mit Absicht daran. Aber leider kommen die Erinnerungen oft ungebeten durch die Hintertür.
Der Spaßverderber hatte also nicht ganz unrecht.
Aber das hieß noch lange nicht, dass Thanksgiving nicht total nervte, denn das war absolut der Fall.
»Was willst du damit sagen?«
»Dass deine Pflichten beinhalten, dich den Problemen zu stellen statt sie fortzuwünschen.«
Mit einem Satz war ich aus dem Bett. »Ach, geht das schon wieder los! Die Pflichten der Königin. Die Herrschaft. Ja, ja. Obwohl ihr Vampire ein Durchschnittsalter von ungefähr neunzig habt. Die Älteren müssten eigentlich über mich herrschen. Nach Vampirmaßstäben bin ich immer noch ein Kleinkind.«
Okay, das war ziemlich daneben. Ich sah Sinclair deutlich an, dass er dieses Gekeife schon vorher gehört hatte und dass es ihn kalt ließ. Und es war ja auch ziemlich kindisch, über Dinge zu jammern, die ich niemals, wirklich niemals würde ändern können.
Aber ich hasste es nun mal, dass von mir erwartet wurde, Leute herumzukommandieren, die a) alt genug waren, um auf sich selbst aufzupassen, b) alt genug, um es besser zu wissen, und (c) viel, viel zu alt waren, um eine Vampirkönigin zu brauchen, die sich unnötig in Kleinkram verzettelte. All das, so wähnte ich, hatte ich in meinem letzten Job hinter mir gelassen.
Aber es hatte wie gesagt keinen Sinn zu jammern. Und richtig: Ich hatte nun einmal Pflichten. Meine Güte, ich erfüllte wahrhaftig meinen Eid, als Ms Vampirkönigin unermüdlich für den Weltfrieden zu arbeiten. Der Antichrist war verrückt geworden. Mein Vater war gestorben. Meine Stiefmutter war auch gestorben und hatte begonnen, mich heimzusuchen. Der Teufel hing gern in meinem Haus herum. Garrett hatte sich umgebracht, Antonia drei(!) Kugeln in den Kopf bekommen. Meine beste Freundin trennte sich von dem Mann ihres Lebens, nachdem er darauf bestanden hatte, sie müsse sich zwischen ihm und mir entscheiden.
O je, o ja. Alles war ganz großartig!
Inzwischen war ich an der Schlafzimmertür angelangt und hoffte halb, Sinclair würde mich zurückhalten. Doch er saß immer noch auf dem Bett. »Ich hab’s satt, immer wieder darüber zu reden.«
»Wie kann das nur möglich sein«, fragte er kühl, »wenn wir es doch nie getan haben?«
Autsch! »Wenn ich jetzt durch diese Tür gehe«, drohte ich, »werde ich … « Tja. Nie zurückkommen , war die Unwahrheit, und das wusste er. Vielleicht irgendwann zurückkommen , hatte aber nicht diesen unheilvollen Klang, den ich beabsichtigte, »… richtig wütend auf dich sein – und zwar für länger!«
Er gähnte.
Ich ging.
10
Wütend stapfte ich unsere Vom-Winde-verweht -artige Prunktreppe hinunter (sie war mit einem weichen roten Plüschläufer belegt, hundertprozentig Scarlett) und fegte durch die Korridore. In dieser Villa gab es mehr Bäder als im Weißen Haus, mehr Kleiderschränke, Wäscheschränke, Speiseaufzüge, Salons, Schlafzimmer und Geschirrschränke (meiner bisherigen Zählung nach drei).
Zum hundertsten Mal fragte ich mich, was ich, Elizabeth Nennen-Sie-mich-nicht-so Taylor, in einer Villa zu suchen hatte, in der es von paranormalen Kuriositäten wie meinem Gemahl nur so wimmelte. Und da wir schon dabei sind: Wie kam ich, Elizabeth Taylor, eigentlich dazu, überhaupt eine paranormale Kuriosität zu sein?
So lange lagen meine Jahre der Freiheit und Ungebundenheit doch gar nicht zurück. Ich hatte allein gelebt, war Single gewesen. Ich hatte weder die Untoten noch die Zahnenden gesittet, sondern mich um meinen eigenen Kram gekümmert und mir ab und zu die neuesten Frühlings-Pumps von Beverly Feldman geleistet.
Vielleicht war das ja mein Problem: Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal Schuhe gekauft hatte.
Wie … wie hatte sich mein Leben nur so verändern können? Kein Wunder, dass alles aus dem Ruder lief! Mein Gott, eigentlich war es ja sonnenklar …
Ich hatte meine Schritte in Richtung Küche gelenkt, nicht vollkommen unabsichtlich. Unsere Küche hatte die Ausmaße eines Stadions, war aber sehr gemütlich. Lange Theken zogen sich an den Wänden hin, mehrere Kühlschränke waren gut mit Snacks bestückt. Hohe Barhocker luden zum Sitzen ein, und eine Menge Zeitschriften und Zeitungen lagen auf der Marmorplatte, auf der Tina gelegentlich Cookieteig ausrollte. (Witzig, denn sie selbst konnte die Dinger ja nicht essen. Keiner von uns konnte das, außer Jessica, die sich aber
Weitere Kostenlose Bücher