Undead 09 - Zum Teufel mit Vampiren
ständig krankhaft Sorgen um ihr Gewicht machte und den Sprung über die 102-Pfund-Hürde fürchtete wie der Teufel das Weihwasser. Wo zum Henker landeten also diese Unmengen von Cookies?)
Ich hatte fast erwartet, Tina in der Küche anzutreffen. Sie hatte gerade geduscht – kein Wunder, denn sie roch stark nach Blut. Kam also gerade von der Jagd.
Tina und mein Mann mussten sich jeden Tag nähren (vielmehr jede Nacht). Die ungeschriebenen Regeln lauteten, dass wir nur die Bösen aussaugten. Sollten Sie also ein Räuber oder Vergewaltiger sein, ein Mörder, Dieb oder Betrüger, dann nehmen Sie sich in Acht: Sie passen genau in unser nächtliches Snack-’n-go-Schema. Wir snacken und Sie … gehen eben. Wohin, ist uns ziemlich egal.
Tina stand also vor dem offenen Kühlschrank und hielt sich an dessen Tür fest. Sie trug ihr bequemes Heim-Outfit: ein knöchellanges, hochgeschlossenes Nachthemd aus schwerem, eierschalenfarbenen Leinen. Mit ihren üppigen blonden Locken und ihren großen braunen Augen sah sie aus wie eine Statistin aus Unsere kleine Farm . Eine echt heiße Statistin.
Plötzlich wurde mir etwas über Tina klar, das ich eigentlich schon lange wusste. Kennen Sie diese Eingebung: Sie wissen nicht, dass Sie etwas wissen, bis Ihnen klar wird, dass Sie es doch wissen? (Klappe. Das ergibt nur einen Sinn, wenn man gründlich drüber nachdenkt.) Was mir jetzt aufging, war, dass Tina sich stets bescheiden kleidete, ungefähr so wie eine Lehrerin. Das Gewagteste, das ich je an ihr gesehen hatte, waren Leinen-Wandershorts und ein langärmeliges T-Shirt gewesen.
Tina bevorzugte Röcke und lange Hosen, Rollkragenpullover und lange Nachthemden. Nie trug sie etwas Luftiges oder tief Ausgeschnittenes. Mir fiel ein, dass sie mir einmal erzählt hatte, dass sie im Bürgerkrieg zu einem Vampir geworden war (oder war sie im Krieg geboren worden? Vergessen … ) Jedenfalls stirbt die Bescheidenheit wohl nur langsam. Und in Tinas Fall gar nicht.
Sie war dabei, ihre ansehnliche und äußerst bizarre Wodkasammlung zu begutachten. Wie jeder Vampir war auch Tina von zwanghaftem Durst befallen. Und wie ich versuchte auch sie manchmal, ihren Durst mit anderen Flüssigkeiten als Blut zu stillen. Und ebenso wie mir gelang es ihr nie … aber schon der Versuch machte ja Spaß.
Nun nahm sie eine Flasche aus dem Kühlschrank – igitt, Wodka mit Chiligeschmack. Als ob ein aus Kartoffeln gebrannter Schnaps nicht schon eklig genug gewesen wäre.
Nein, das Pfefferzeug sagte ihr nicht zu. Zurück damit in den Kühlschrank! Zimt war jetzt an der Reihe. Ein wenig besser, fand ich … aber nein, den wollte sie auch nicht. Und dann griff sie zu – oh, nicht doch! – Schinkenspeck. Wodka mit Speckgeschmack! (Ich schwöre bei Gott, dass ich das nicht erfunden habe. Schauen Sie bei Wikipedia nach, wenn Sie mir nicht glauben.)
Jetzt würde ich mich gleich übergeben müssen. Gleich hier in der Küche auf die Füße meiner treuesten Gefolgsvampirin. Es gab nichts, was das noch aufhalten konnte. Außer vielleicht die Tatsache, dass ich mich nicht mehr übergeben hatte, seit ich vor drei Jahren in diesem Beerdigungsinstitut aufgewacht war.
Denk an etwas anderes. Denk an all die netten Sachen, die Tina für dich getan hat. Überleg mal, wie scheußlich und schäbig es wäre, ihr das anzutun. Und vor allem denk daran, dass sie nicht zulassen würde, dass du den Mist auch wieder wegwischst!
11
Tina war Sinclairs Majordomus – ein unzureichender Begriff, um Tina in ihren ganzen Dimensionen zu beschreiben, der Supersekretärin und Verwaltungsassistentin der Verdammten. Aber Tina war noch viel mehr als das.
Sie wusste, wo die Leichen versteckt waren – in diesem Hause keine leere Phrase. Sie kannte sämtliche Kontonummern und Passwörter. Nie vergaß sie einen Geburtstag oder Todestag. Sie wusste über unsere Lieblingsgerichte und Allergien Bescheid. Sie war sozusagen ein bewaffnetes Genie – eine ziemlich passende Beschreibung für einen Menschen, der im Amerikanischen Bürgerkrieg geboren worden war. Oder im Krieg zum Vampir wurde.
Sie hatte Sinclair zum Vampir gewandelt. Seitdem lebte sie bei ihm und hatte, seit sie mich kannte, ihre Loyalität auch auf mich ausgedehnt.
Sie war – na, Sie wissen schon. Sie war eben Tina. Tina, untote Bürgerin der Untotenwelt mit einem Hang zu Kartoffelschnaps mit Speckaroma.
Ungefähr alles, was ich von ihr wusste, war, dass sie Sinclair an dem Abend, als seine drei Familienangehörigen beerdigt
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