Undead 09 - Zum Teufel mit Vampiren
dafür hat er doch mein anderes Ich.«
»Ja, und wie fandest du sie so?« Laura warf mir einen verärgerten Blick zu. »Sie ist kalt und zerstreut und distanziert. Sie hat Jon nicht einmal vorgestellt, sondern nur davon gesprochen, dass irgendjemand uns herumführen wird. Sie ist wie diese Vorstandsvorsitzenden, die nicht einmal die Namen ihrer Sekretärinnen oder Botenjungen kennen. Dein zukünftiges Ich ähnelt mehr oder weniger den Chefs, die du so gehasst hast, als du noch am Leben warst.«
»Alles, was du gesagt hast, ist wahr. Was mich nun zu der Frage bringt: Soll ich wütend werden oder es mit der Angst bekommen? Oder einfach nur überwältigt sein?«
»Darum kannst du dich später kümmern. Also schön, Sinclair ist mit deinem anderen Ich zusammen, aber woher sollen wir wissen, dass er das so gewollt hat? Er hat sich mit deinem anderen Ich zusammengetan, als sie dein Ich war. Dein jetziges junges, lebendiges Ich ohne Chefallüren. Ich wette, so was wie dich hat Sinclair eine ganze Weile nicht mehr gesehen.« Sie überlegte kurz. »Hat das jetzt irgendeinen Sinn ergeben? Ich bin mir da nicht sicher.«
»Es war meisterhaft«, versicherte ich ihr. »Komm. Wir machen uns auf den Weg und suchen meinen Mann.«
Nennen Sie mich sonderbar oder auf perverse Weise neugierig, aber ich konnte es nicht abwarten, dem älter gewordenen Sinclair zu begegnen.
»Wenn ich das also richtig verstehe, bringe ich meinen Mann erneut dazu, mich zu betrügen. Mit mir. Wieder einmal.«
Laura zuckte die Achseln. »Ich habe die Regeln nicht gemacht.«
67
»Mein anderes Ich und der ältere Sinclair müssen doch irgendwo ein Schlafzimmer haben. Oder wahrscheinlich gleich eine ganze Suite. Eine eiskalte Untergrund-Suite, wo sie auf ihren winzigen Computern herumhacken und keine Ahnung haben, wer ihnen die Betten macht. Allerdings pflegt Sinclair nicht die Gewohnheit, während der Arbeitszeit im Schlafzimmer rumzulungern. Mein anderes Ich arbeitet in ihrem Büro … also wird er auch eins haben.«
»Glaubst du, Jon wird uns hinführen?«
»Klar, wieso denn nicht? Er ist doch sooo nett. Und es fällt mir wirklich schwer, etwas Nettes über Ant zu sagen … aber haben sie und Dad nicht einen Prachtjungen hingekriegt? Der sooo nett ist, weil ich ihn aufgezogen habe! Ich bin wirklich erstaunt darüber, wie toll ich bin. Zumindest gelegentlich.«
»Damit hast du schon recht, aber bedenke, dass Jon alles tut, was ihm dein anderes Ich befiehlt. Wenn sie also nicht will, dass du Sinclair begegnest … «
»Hm. Sie weiß genau, wie ich ticke. Und erinnert sich wahrscheinlich auch daran, wie du gestrickt bist. Weißt du was? Ist mir grade eingefallen … hier muss doch auch ein älteres Ich von dir herumschwirren.«
»Ist mir bewusst«, sagte Laura mit grimmiger Miene. »Ich versuche, möglichst nicht daran zu denken.«
Das konnte ich ihr kaum verübeln. Wenn ich in tausend Jahren frigide und langweilig geworden war, was würde dann erst aus Laura geworden sein? Meine Vorstellungskraft schrak vor dem Bild, das sich mir aufdrängte, zurück. »Dann beschäftige dich weiter mit Jon. Ich versuche derweil, meinen Gatten auszugraben. Hast du den Witz mitgekriegt? ›Ausgraben‹?«
»Hab ich.«
»Aber zuerst müssen wir … «
»Ach du meine Güte, die Gerüchte sind also wahr!«
Ich kannte diese Stimme. Die Macht der Gewohnheit führte dazu, dass ich mich lächelnd umdrehte. Doch dann fiel mir das Lächeln aus dem Gesicht wie ein Amboss von einer Klippe.
Es war Marc.
Und Marc war ein Vampir.
Er raste mit annähernder Lichtgeschwindigkeit auf uns zu, und Laura stolperte erschreckt einige Schritte zurück. Er drückte mich so fest, dass die Knochen knirschten, und gab mir kalte Küsschen auf beide Wangen. Ich ballte die Fäuste, um dem Drang zu widerstehen, mir die Wangen abzuwischen.
»Und du siehst keinen Tag älter aus als dreißig. Egal, in welchem Jahrhundert!«
Er klang wie Marc. Er sah aus wie Marc. Aber er vermittelte nicht das richtige Gefühl. Er vermittelte ein Gefühl von böse. Ein dummes und einfaches Wort, aber es passte. Wenn ich ihn nur ansah, wusste ich schon, dass er böse war. Vielleicht verdankte ich das meinen besonderen Kräften als Vampirkönigin.
Nein. Verdankte ich nicht. Laura sah genauso entsetzt aus, wie ich mich fühlte.
Marc grinste und zeigte dabei seine Fangzähne. Was eigentlich unnötig war. Sie wuchsen nur dann, wenn wir Blut rochen oder uns nährten. Er ließ sie bloß wachsen, um uns Angst
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