Undercover
gekämpft.«
»Können die nicht post mortem sein? Weil er die Leiche irgendwohin geschleppt, sie an eine andere Stelle verbracht hat?«
»Sie muss noch einen Blutdruck gehabt haben, als sie an den Handgelenken gepackt wurde«, sagt Win. »Wenn man tot ist, bekommt man keine blauen Flecke mehr.«
»Dieselbe Form von Hämatomen an den Oberarmen«, liest Stump vor. »Ebenfalls an Hüften, Pobacken, Knöcheln. Als ob sie jedes Mal einen blauen Fleck bekam, sobald er sie anfasste.«
»Weiter! Was noch?«
»Hier, tatsächlich ein abgebrochener Fingernagel«, sagt Stump.
»Selbstverteidigung. Vielleicht hat sie den Täter gekratzt«, sagt Win. »Hoffentlich haben die unter den Nägeln nach Spuren gesucht. Auch wenn damals noch keine DANN-Tests gemacht wurden. Aber sie hätten die Blutgruppe prüfen können.«
Doch die Berichte sind da. Von verschiedenen Körperöffnungen wurden Abstriche gemacht. Samenflüssigkeit negativ. Nichts über die Fingernägel, liest Stump vor. Vielleicht wurde das nicht geprüft. Rechtsmedizinische Untersuchungen liefen damals, vorsichtig ausgedrückt, etwas anders ab.
»Was ist mit einem Toxikologie-Screen?«, fragt Win. Er schreibt in seinem einzigartigen Steno. Abkürzungen und Rechtschreibung, die nur er versteht. »Werden Alkohol oder Drogen erwähnt?«
Stump geht die Akten einige Minuten lang durch und findet dann eine Auswertung von einem Labor in der Commonwealth Avenue in Boston. »Drogen und Alkohol negativ, obwohl, das hier ist interessant« - sie hält einen Polizeibericht hoch -, »hier wird im Begleittext erwähnt, man verdächtige sie des Drogenkonsums.«
»Keine Drogen in der Wohnung?« Win runzelt die Stirn. Das ergibt keinen Sinn. »Was ist mit Alkohol?«
»Ich schau gerade«, sagt Stump.
»Irgendwas im Autopsiebericht, das auf Alkohol- oder Drogenmissbrauch hinweisen könnte?«
»Nichts zu finden.«
»Warum wird dann in Erwägung gezogen, sie könnte Drogen genommen haben? Was ist mit dem Müll? Wurde vielleicht etwas im Müll gefunden? Was ist mit dem Medizinschrank? Was wurde am Tatort sichergestellt?«
»Ah, hier ist etwas«, sagt Stump. »Eine gebrauchte Spritze mit krummer Nadel im Mülleimer. Im Badezimmer. Und im Medizinschrank ein Fläschchen mit einer unbekannten Substanz.«
»Das Fläschchen ist doch mit Sicherheit ins Labor gekommen. Die Spritze auch. Keine Auswertung vorhanden?«
»Beweise, Beweise …« Stump spricht mit sich selbst, durchsucht die Akten. »Ja, Spritze und Fläschchen wurden eingereicht. Drogen negativ. Hier steht, in dem Fläschchen war, ich zitiere: >eine ölige Lösung mit unbekannten Partykeim.<«
»Weiter«, sagt Win und schreibt, so schnell er kann. »Was wurde sonst noch am Tatort sichergestellt?«
»Die Kleidung.« Stump liest vor: »Rock, Bluse, Strümpfe, Schuhe … Kann man auf den Fotos sehen. Handtasche, Portemonnaie. Eine Schlüsselkette mit einem Christophorus-Anhänger - schön, dass er sie beschützt hat - und zwei Schlüsseln. Einer der Wohnungsschlüssel, der andere für ihr Büro an der Schule, steht hier. Das hier lag auf dem Boden neben der Tür. Fiel aus ihrer Handtasche.«
»Darf ich mal sehen?« Win nimmt Stump die Fotos ab und betrachtet jedes einzelne längere Zeit.
Der Tatort, das Leichenschauhaus. Nichts, was ihm nicht schon aufgefallen wäre, nur ergibt das ganze Szenario für ihn immer weniger Sinn. Das Bett war gemacht, und es sieht aus, als sei Janie Brolin für die Arbeit gekleidet gewesen, als sie überfallen wurde. Gefunden wurden ein Fläschchen, eine benutzte Spritze, eine unbekannte Substanz. Drogen- und Alkoholtest negativ.
»Sie hatte eine Hautentzündung. Einen Ausschlag«, liest Stump vor. »Vielleicht eine sexuell übertragbare Krankheit. Die Untersuchung wurde von einem Dr. William Hunter vom Institut für Rechtsmedizin an der Harvard University vorgenommen.«
»Das Institut führte regelmäßig medizinische beziehungsweise rechtsmedizinische Untersuchungen für die State Police durch«, sagt Win. »Damals, Ende der Dreißiger, in den Vierzigern. Gegründet von Frances Glessner Lee, jener erstaunlichen Frau, die schon lange vor ihrer Zeit Forensik betrieb. Leider existiert die von ihr gegründete Abteilung nicht mehr.«
»Meinen Sie, von den Beweismitteln ist noch was da?«, fragt Stump. »Vielleicht beim Amtsarzt von Boston?«
»Den gab es damals noch gar nicht«, sagt Win. »Erst ab Anfang der Achtziger. Die Pathologen von Harvard übernahmen solche Fälle als Dienst an der
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