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Undercover

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Titel: Undercover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Gießerei schien mehr für Giganten und Maschinen als für Menschen gemacht. Als ich zwischen den letzten Zeugnissen dieser Industrieruine hindurchging, kam ich mir vor wie ein Zwerg. Mehrere riesige Hochöfen standen auf festen Fundamenten und reichten sicher zwanzig Meter bis zum Dach und noch einmal das Fünffache darüber hinaus. Dazwischen spannte sich ein Netz aus temperaturbeständigen Förderbändern und in den Boden eingelassenen Schamottkanälen, in die, wie ich von meinem verstorbenen Großvater wusste, zum Beispiel flüssiges Eisen zum Abkühlen und Ableiten gelassen wurde. An anderen Stellen hingen riesige Kessel mit Gießmäulern, in denen das Metall mit anderen Materialien zu Schiffs- und Waffenlegierungen verarbeitet wurde.
    Nach einem wirren System ragten voll automatisierte Lanzen in den Raum, mit denen man das flüssige Material mit Gasen anreichern konnte. Ein paar uralte Stapler-Mechas standen in der Gegend herum, als hätten die Piloten diese menschenähnlich geformten Stahlkolosse dort stehen gelassen, wo sie sie zuletzt benutzt hatten. Alles war längst rostig und verstaubt.
    Insgesamt war es kein Wunder, dass diese altmodische Gießerei stillgelegt worden war. Heutzutage schüttete man das gemahlene Eisenerz in einen flachen Bioreaktor, wo spezialisierte Mikroorganismen und Naniten das Rohmaterial in Kügelchen aus dem wesentlich flexibler einsetzbaren Ultrastahl verwandelten. Dafür brauchte man keine Armee an Facharbeitern mehr, die wie hier in der Gießerei die Maschinen bedienen mussten, sondern nur noch ein paar Spezialisten, die auf Knöpfe drückten.
    Nach dem Eingang erwarteten uns Spruchbänder. »Totgespart« hieß eines, ein zweites besagte »Frische Luft für harte Arbeit unter Tage!«. Ein drittes verkündete »Billig-Betas, nein danke!«
    Jabbert und ich gesellten uns zu den Wartenden, die sich um ein mit roten Spruchbändern geschmücktes Podest versammelt hatten. Ich staunte nicht schlecht über die Menschenmassen. Sicher, von draußen hatte man schon gesehen, dass es sich um viele Leute handeln musste, doch als ich sie abzuschätzen versuchte, kam ich auf eine Zahl von sicherlich dreißigtausend Menschen und Beta-Humanoiden, die sich hier inzwischen versammelt hatten.
    Letztere waren deutlich in der Minderzahl und bildeten zu großen Teilen ein eigenständiges Grüppchen, das sich kaum mit den Menschen mischte. Die Spannungen zwischen den beiden Rassen waren spürbar.
    Wenn man von der Anzahl der Arbeiter von Carabine City ausging, handelte es sich hier sicherlich nur um den harten Kern, trotzdem fand ich die Menge beeindruckend. Mein Großvater hatte mir von Zeiten berichtet, in denen ganze Völker auf die Straße gegangen sein sollten, um ihren Willen durchzusetzen. In Pherostine hatte das mit dem Streik vielleicht schon begonnen -und das in einer Zeit, in der eigentlich nicht demonstriert wurde. Wenn man heutzutage schlecht behandelt wurde, setzte man sich vor den 3D-Cube und jammerte über die Schlechtigkeit der Welt und die bösen MegaKonzerne.
    Die Versammlung hatte wohl gerade begonnen, denn oben auf dem Podium stand jemand und sprach. Die Stimme hallte über die Verstärker zu uns herüber, wirkte in der großen Gießerei aber immer noch dünn und schmal. Ich hörte mit einem Ohr hin und schloss, dass der Mann die Ereignisse der letzten Tage zusammen-fasste. Er war ein schlechter Redner und erzählte den Leuten wohl auch nichts Neues, wie das abgelenkte Gemurmel in den Reihen vermuten ließ. Gigantische Holoprojektoren waren an verschiedenen Stellen in der Gießerei installiert und sorgten dafür, dass jeder auch sein Gesicht sehen konnte - er sah genauso fade aus, wie er klang.
    Ich arbeitete mich tiefer in die Menge vor und entdeckte eine bekannte Schnauze. Ares a.k.a. »Wauzi«
    stand im Grenzbereich zwischen dem Beta-Territorium und dem Menschenbereich Hand in Hand mit einer Freundin ohne Fell. So wenig ich Betas mochte, ließ sich jetzt vielleicht die frisch aufgebaute Knastbruderschaft nutzen. Ich signalisierte Jabbert, sich im Hintergrund zu halten, und stellte mich neben den beeindruckend großen Beta mit dem dunklen Fell. »Hallo, Wauzi.«
    »Ah, die Zicke«, sagte Wauzi, doch es klang so freundlich, wie eine Bulldogge eben klingen konnte. »Ich habe dir von ihr erzählt, Jenny.«
    »Ah, du bist diese Eliza«, sagte sie und machte eine Bewegung mit den Fingern, die wohl ein Winken darstellen sollte. Sie besaß ausgeprägte Rundungen, magentarot gefärbtes

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