Undercover
Haar und eine Stupsnase. Ihr Lächeln war ansteckend.
»Hallo, Jenny.« Ich deutete mit dem Kinn auf das Podium. »Wer ist denn das? Ist das dieser Cross?«
»Nä«, sagte sie. »Das ist Feldberg. Er kandidiert für den Vorsitz. Cross kommt noch.«
»Und was ist an diesem Cross so toll, dass man den überall ankündigen muss? Der Chef der Gewerkschaft?«
»Nä, der Chef der Gewerkschaft war Symes. Ist im Stollen Adam gestorben. Bist nicht von hier, was?«
Bei Jennys Frage schlug mein Herz ein paar Takte schneller. Super - zwei Sätze, und ich hatte mich schon wieder als Fremde geoutet. Wenn das so weiterging, steckte ich in zehn Minuten kopfüber in einem der kalten Schmelztiegel. »Ich … ich komme aus Savosta.« Ich hielt mich an die Geschichte, die ich mir zurechtgelegt hatte.
Savosta war die nächstgrößere Stadt auf Pherostine. »Bin gerade erst hergezogen und weiß noch nicht so recht, was hier abgeht.«
»Ah, neu hier.« Sie musterte mich von Kopf bis Fuß und deutete auf meine Schottenkaro-Pumps. »Coole Schuhe.
Und wo arbeitest du?«
»Danke. In Konrad«, sagte ich. »Aber mal ehrlich - wer ist dieser Cross?«
»Wir hoffen, dass er auch kandidiert. Er ist ein guter Mann«, sagte Jenny. Sie musterte mein Gesicht - ich hatte meine Wange schon wieder vergessen. Vermutlich zeigte sich da inzwischen eine tüchtige Schwellung. »Einer, der das Maul aufmacht.«
Stürmische Begeisterung brandete im vorderen Teil der Menge auf und setzte sich zeitversetzt nach hinten fort.
Offenbar hatte der Langweiler das Mikro an Richard Cross übergeben. Auf den 3D-Cubes erschien das Gesicht, das ich in dem Nachrichtenbeitrag verstaubt und grimmig gesehen hatte. Cross wirkte deutlich sauberer, aber kaum weniger ernst, als das letzte Mal, dass Ich ihn gesehen hatte.
Ich machte ein paar Schritte nach vorne zu dem durchscheinenden Bild und war dabei nicht die Einzige - die ganze Masse Menschen rückte näher zusammen, um besser sehen und hören zu können. Ich sah mich um und fand Jabbert ganz in der Nähe. Mit einem Schuss Adrenalin kam mir wieder mein Auftrag ins Bewusstsein. Doch wenn ich mich so umsah - es standen immer wieder Anzug tragende Leibwächter der GWA in der Gegend herum grenzte es an Selbstmord, heute auch nur
darüber nachzudenken, hier etwas abzuziehen. Ich musste warten, bis sich die Menge und Müller mit seinen Wachhunden verzogen hatten.
Als ich mich wieder Wauzi und Jenne zuwenden wollte, stand neben mir eine blonde Gestalt, die gerade auf Zehenspitzen versuchte, einen besseren Blick durch die Leute vor sich zu erhalten. Ich erkannte sie sofort wieder -
es war die drahtige blonde Frau mit den Cyberoos und der langen Strähne, mit deren Schulter ich am Tag des Anschlags bereits nähere Bekanntschaft geschlossen hatte.
Ich hoffte schon, sie hätte mich nicht gesehen, und versuchte, ein paar Leute zwischen uns zu bringen, da stieß sie mich mit der Schulter an. Offenbar eine Grobmotorikerin. »Hey!«, sagte sie auch dieses Mal. »Pass doch auf!«
Im letzten Augenblick verkniff ich mir eine Antwort, durch die sie sich an mich erinnert fühlen könnte,
»tschuldigung«, sagte ich bloß und wandte mich ab. Mit einem Blick über die Schulter bemerkte ich allerdings, dass sie mir mit gerunzelter Stirn nachsah. Hoffentlich besaß sie ein schlechtes Gedächtnis.
Ich ging wieder zu Ares und Jenny hinüber, um der Blonden aus dem Weg zu gehen. Dort hatte ich einen deutlich schlechteren Blick - in manchen Situationen ist meine Körpergröße halt nicht von Vorteil.
»Richard Cross«, kündigte der Langweiler seinen Nachredner an. Mehrere zigtausend Menschen brachen in Begeisterungsstürme aus.
»Danke«, schallte eine Stimme durch die Lautsprecher. »Aber ihr solltet mir erst dann zujubeln, wenn ich etwas getan habe, nicht vorher.«
Obwohl die Worte platt hätten sein können, wenn sie jemand anderes gesagt hätte, klangen sie aus Cross’ Mund so gar nicht nach einem Wahlkampfslogan. Sie klangen ehrlich.
»Feldberg hat die Situation ganz gut zusammengefasst«, fuhr Cross fort. »Eines hat er aber ausgelassen.« Er sammelte sich und blickte in die Kameras - ich fühlte mich über die riesigen Cubes sofort direkt angesprochen.
Dabei benahm er sich so ungezwungen, dass er entweder Erfahrung in der Öffentlichkeitsarbeit haben musste oder sich einfach keinen Dreck darum scherte, wie er wirkte.
»Wir stehen hier auf Pherostine an einem Scheideweg. Die Dinge werden sich verändern. Bislang hat United
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