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Undercover

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Titel: Undercover Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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Kein Atem, kein Verreißer. Ich korrigierte den Kurs ganz leicht, der uns schräg auf die Häuserwand zugesteuert hätte, dann schaltete ich das Denken ab und verließ mich darauf, dass meine Instinkte die Situation schon richtig eingeschätzt hatten. Ich kämpfte den Drang nieder, einfach die Augen zu schließen, bis es vorbei war.
    Wir sausten durch die Gebäudeflucht, als ich ein Krachen aus dem Frachtraum hörte - die Ladung polterte darin hin und her. Gleichzeitig spürte ich, wie das Schiff zu schlingern begann. Mir brach der Schweiß aus. Ich mahnte mich zur Vorsicht und stabilisierte das Steuer nur ganz wenig, damit wir weder unten noch oben an eine Häuserwand stießen. Dann schossen wir zwischen den beiden Häusern hervor.
    Ich legte den Vogel wieder gerade, da wartete schon das nächste Problem auf uns: Einerseits die Skyline des ersten Rings, die auf der anderen Straßenseite des Messegeländes begann, andererseits die Flotte von Sicherheitsfahrzeugen, die sich immer noch mit Blaulicht und allem Drum und Dran auf und über der Messebrücke befanden.
    Jetzt steuerte ich mit allen Düsen gegen, die uns nach oben trieben, und zog den Steuerknüppel so weit zurück, wie es mir möglich war. Ein Senkrechtstart wäre so viel einfacher gewesen. Jetzt hatten wir Schwung drauf - und wie viel Schwung wir hatten! Wir rasten genau auf die das Morgenlicht reflektierende Fensterwand des Towers vor uns zu, über dem ein leuchtendes Werbeschild fröhlich verkündete, dass sich darin der örtliche Lebensversicherungs-Zweig von United befand. Ich hatte die Wahl, das Steuer zu verreißen und eventuell in dem Gewirr der Hochhäuser dahinter zu landen, in dem ich kaum mehr schnell genug würde reagieren können, oder sofort einen Kurzstreckensprung durchzuführen. Ich versuchte Letzteres. Lieber ein Ende mit Schmerzen als Schmerzen ohne Ende.
    Die Finger meiner Rechten tanzten über das Bedienfeld der Steuerung, mit der Linken klammerte ich mich an den Steuerknüppel, als bedeutete es mein Leben - was es streng genommen ja auch tat. Wir gingen in die Senkrechte und wurden in die Sitze gepresst, jegliche Luft floh durch die G-Kraft aus meiner Lunge. Cross keuchte neben mir.
    »Du willst doch nicht in der Atmosphäre einen Kurzstreckensprung programmieren?«, fragte Cross ungläubig.
    »Das bringt uns alle um! Aneurysmen und Lungen können dabei platzen, du kannst…«
    »Die Alternative ist der Wolkenkratzer dort«, erwiderte ich gepresst.
    Ich wusste sehr gut, dass unsere Chancen zum Überleben beinahe größer waren, wenn ich den Frachter in das Gebäude setzte, als wenn ich in der Atmosphäre einen Kurzstreckensprung durchführte.
    Vor uns füllte die gleißend beleuchtete Fensterwand inzwischen das gesamte Fenster aus. Darin sah man, dass die von Gewitterwolken verhangene Sonne im Osten wie ein prachtvoller greller Ball hing, die drei Monde von Pherostine verblassten in ihren Sichelstadien. Cross krallte sich bleich an die Arme seines Sitzes und wurde immer kleiner. Ich ignorierte ihn.
    Man sagt, dass das gesamte Leben vor den Augen abläuft, während man realisiert, dass man sterben wird. Ich kann dazu nichts sagen, denn ich war zu sehr damit beschäftigt, den Frachter um einen winzigen Winkel zu neigen, um ihn an der schmaleren Seite des kuppelförmig gewölbten Dachaufbaus vorbeizubringen, falls der Sprung nicht funktionieren sollte.
    Dann drückte ich auf den Auslöser des Kurzstreckensprungs. Möglich, dass wir nicht mehr genug Strecke hatten und statt am anderen Ende dieses Sternensystems in der Rückfront des Wolkenkratzers vor uns stecken blieben, der immer näher kam. Dann verzog sich die Welt vor meinen Augen.
    Die Sonne, die Monde und der Wolkenkratzer vor uns rückten in weite Fernen, so als würde man durch die falsche Seite eines Fernrohrs schauen. In meinem Nacken brannte jäh Schmerz auf, der sich von dort aus wie ein Geflecht aus Blitzen über den ganzen Körper verteilte. Du wirst das überleben!, sagte ich mir stumm. Überleben, überleben, überleb…
    29. März 3042 (Erdzeit), wenige Augenblicke später Koordinaten unbekannt Als ich erwachte, fühlte ich mich, als hätte man mich ausgewrungen wie einen nassen Lappen. Ich hatte über die Konsolen vor mir gekotzt, und in dem Erbrochenen schwamm Blut. Ein Summen in meinen Ohren wich nur langsam und blendete dabei jegliche anderen Geräusche aus. Hinter meiner Stirn hämmerte ein migräneartiger Schmerz, und ich hustete mir die Seele aus dem Leib. Noch

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