Undercover
mich. »Und wir sind am Leben.«
»So gerade.«
Ich rumorte an der Seite des Pilotensitzes in einem Spind herum und fand einen Ladestreifen mit Munition. Ich löste die Patronen und lud sie in meinen eigenen. Widerwillig erinnerte ich mich der Situation: Cross war technisch gesehen immer noch meine Geisel. Er war auf der zweiten Hälfte unserer Flucht mehr als willig gewesen -
immerhin war es auch um sein Leben gegangen doch das mochte sich nun wieder ändern, da wir in relativer Sicherheit waren.
Als ich den Ladestreifen in die Kammer im Griff schob und dem satten Geräusch beim Einrasten lauschte, schaute Cross misstrauisch. »Wirst du jetzt wieder anlangen, mich damit zu bedrohen?«, fragte er.
Trotz der Kopfschmerzen warf ich ihm einen amüsierten Blick zu. »Nicht, wenn wir uns weiterhin so gut verstehen.«
»Wir verstehen uns nicht gut«, erwiderte er. »Ich würde das eher einen Nichtangriffspakt nennen.«
»Hey, ich habe dir immerhin das Leben gerettet.«
»Du hast…« Cross starrte mich in einer Mischung aus Ärger und Verblüffung an.
»Ich habe dir das Leben gerettet, ja. Sogar zwei-, ach, dreimal, wenn man es genau nimmt.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust, so dass mein Handgelenk vor seinem Bauch baumelte. »Jetzt bin ich gespannt. Willst du, dass ich mich dafür bedanke, dass du nicht mein Gehirn auf der Tapete des Potemkin’s verteilt hast?«
Ungehalten zog ich meine Hand zurück, verstaute die Pacifier im Holster und die Clips erst einmal in den Taschen.
»Das ist eines der drei Male, ja. Ich hätte dich töten können.«
»Du hast mich nicht getötet, weil du mich brauchst«, erwiderte Cross und tippte auf seinen Kopf. »Das ist etwas anderes, als jemandem das Leben zu retten.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte ich vorsichtig. Der Mann war clever.
»Als ich dein Funksignal unterbrochen habe, hast du es dir plötzlich anders überlegt. Vermutlich … nein, ziemlich sicher sogar hat mein Störsender den Peilsender in deinem Kopf gleich mit deaktiviert. Womit hatten sie das angepeilt? Mit einem Raketenortungssignal?«
Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie nah er der Wahrheit gekommen war. »So etwas Ähnliches.«
Er wurde blass. »Das hätte jeden im Potemkin’s getötet - vielleicht sogar den ganzen Block.«
»In jedem Fall habe ich dafür gesorgt, dass Jabbert dich nicht erschießt«, verteidigte ich mich. »Und vor der Drohne habe ich dich auch gerettet.«
»Beide Male wäre ich nicht in Lebensgefahr gewesen, wenn du mich nicht hineingebracht hättest.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe Besseres zu tun, als mich bei einer Profikillerin dafür zu bedanken, dass sie mich netterweise nicht erschossen hat.«
Ich zügelte meinen aufkeimenden Ärger, denn in diesem Punkt hatte er Recht. »Mag sein. Aber dass du Feinde hast, die dich tot sehen wollen, ist ja wohl kaum meine Schuld, oder?«
Darauf wusste Cross nichts zu erwidern. Nach einer Weile warf er mir einen vorsichtigen Blick zu. »Und jetzt?
Wo sind wir?«
»In der Nähe von Cheque. Ich will nur gerade einen Kurs programmieren. Dann sollten wir vielleicht mal schauen, ob dieser Schrotthaufen einen Verbandskasten und ein paar saubere Kleider hat«, sagte ich.
»Kurs programmieren? Wohin?«
»Weg.« In diesem Wort lag so viel Verheißung. Ich konnte gehen, wohin ich wollte. Ich linste aus dem Fenster vor mir, hinaus in die Weite des Alls. Bei dem Anblick klopfte mir das Herz noch immer bis zum Hals. Na gut.
Vielleicht war ich doch ein wenig gerührt.
Cross strich sich mit der Rechten spontan das Haar zurück, das ihm in die Augen fiel, und riss mir mit der Geste die linke Hand von den Armaturen.
»Autsch!«, sagte ich, denn die Handschelle hatte sich so um meinen Arm verkantet, dass sie mir die Haut quetschte.
»Entschuldigung«, sagte er, doch es klang wie ein Reflex.
»Schon gut.« Ich rieb mir die geschrammte Stelle. Die Handschellen und der Grund, warum ich sie trug, holten mich schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.
Sicher, ich konnte gehen, wohin ich wollte. Ich hatte etwas mehr als dreiundzwanzig Stunden, die Cross’ Störsender vielleicht noch die Funktion der Bombe in meinem Kopf dämpfen würde. Diese Zeit konnte ich nutzen, um mich im letzten Loch des Universums zu verstecken und es nie wieder zu verlassen, aus Angst, dass Stewart versuchte, die Bombe neu zu starten. Oder ich konnte versuchen, jemanden zu finden, der mir innerhalb dieser Frist in einer Notoperation den
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