Undercover Lover
beruhigen schien.
„Ich will, dass du dich ganz ruhig verhältst. Kein Geschrei, kein Kampf, nichts. Ich werde dich nicht anrühren. Es wird dir nichts passieren.“
Er schnaubte über seinen letzten Satz. Sobald die Nacht vorüber war, würde Schlimmeres passieren. Ihre mandelförmigen braunen Augen starrten ihn an. Nevin setzte sich behutsam auf die Bettkante, und als er merkte, dass sie nicht mehr vor ihm zurückwich, wagte er sich wieder näher zu ihr. Sie zuckte nur zurück, als er seine Hände hob, um ihr Gesicht sanft zu umfassen. Eine Mischung aus Furcht, Neugier und Unverständnis war darin zu lesen.
„Wie alt bist du?“
„Que?“
„Wie alt du bist?“
„Siebzehn.“
„Shit …“
Nevin hielt noch immer ihr Gesicht in seinen Händen und senkte seinen Kopf. Siebzehn! Das überstieg seinen Verstand.
„Woher kommst du?“
„Ich kommen her vor zwei Monaten. Papa wollte besseres Leben für mich in Amerika. Bezahlen viel Geld an Señor …doch Señor sagen, nicht genug, muss arbeiten.“
Die bekannte Geschichte, ein Trick, ein mieser Trick, der häufig verwendet wurde, um Frischfleisch für die Bordelle ranzuschaffen oder wie in Lanewoods Fall neue Drogenkuriere zu rekrutieren.
„Carmen, hör mir jetzt gut zu.“
Er bewegte sich wie so oft in den letzten Tagen auf dünnem Eis, doch er musste es riskieren.
„Weißt du, wo du zuerst warst?“
Sie nickte, und die Skepsis auf ihrer Mimik wich immer mehr. Sie fasste Vertrauen zu ihm, was ihn selbst überraschte.
„Da ist ein Lagerhaus bei Docks, grün mit rotem Zeichen. War leer, als man uns brachte dorthin.“
„Hast du ein Schild gesehen, irgendwas?“
„Monros, oder so?“
„Mon Roses?“
„Sí, sí, haben ich gelesen.“
Er ließ sie los und nickte.
„Señor? Warum Sie stellen mir all die Fragen?“
Für den Bruchteil eines Augenblickes war Nevin tatsächlich versucht, das arme Geschöpf einzuweihen, ihr zu erklären, wer er wirklich war. Allein der Gedanke daran, war alles andere als professionell.
„Ich kann dir nichts sagen. Aber ich bitte dich, mir zu vertrauen. Ich weiß, ich bin ein Fremder und du hast viel durchgemacht.“
Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, sah er erneut Tränen in ihren Augen schimmern. Würde er es übers Herz bringen, sie am Morgen zurück in diesen versifften Keller zu schicken? Siebzehn! Die Zahl schwirrte wie eine dunkle Wolke in seinem Gehirn. Dieses Mädchen hatte noch ihr ganzes Leben vor sich, doch als Drogenkurier würde es rasch verkürzt. Nevin erhob sich, zog seine Lederjacke und sein Hemd aus. Abermals weiteten sich ihre Augen angstvoll.
„Sie haben versprochen, Señor …“
Ihr spanischer Akzent klang süß, aber ihre Stimme zitterte dünn und panisch, als er mit nacktem Oberkörper da stand. Sie unterdrückte einen Schrei, nachdem er seinen Fuß auf das Bett gestellt hatte und aus der Gelenkmanschette ein Messer zog. Ein spanisches Gebet flüsternd, schloss Carmen zitternd die Augen. Ihm war bewusst, wie das auf sie wirken musste, und ihm wurde klar, dass er sie nicht einfach diesen Scheißkerlen überlassen wollte.
„Carmen? Hör auf zu beten, und sieh mich an.“
Er war müde und rieb sich die Stirn. Er hoffte, dass der Sender an seiner Lederjacke alles aufgezeichnet hatte, sodass niemand zu diesem Zeitpunkt hier eingreifen würde. Die Informationen waren zu wertvoll. Nevin schüttelte den Kopf. Er würde sie nicht wieder zurückschicken können. Als Carmen zu ihm empor sah, schniefte sie.
„Wenn du durch die Tür gehst, führt rechts ein Flur zum Ausgang. Er ist unverschlossen. Du wirst dich nicht umdrehen, und du wirst nicht stehen bleiben. Renn so schnell du kannst, und such das nächste Polizeirevier auf. Frag nach Jason Wong, und erzähl ihm alles, was du weißt. Du hast nur eine Chance.“
Sie starrte ihn ungläubig an, als könne sie nicht fassen, was er gerade gesagt hatte. Ein entsetzter Laut drang aus ihrer Kehle und ihre Augen weiteten sich, während Nevin sich die Klinge an die Brust setzte und sie über seine Haut zog. Er blutete, verzog jedoch keine Miene und schloss die Tür des Zimmers auf.
„Nur diese eine Chance.“
Er öffnete leise die Tür.
„Ich gebe dir einen guten Vorsprung. Lass die Haustür offen stehen, und renn um dein Leben.“
Sie glitt vom Bett. Nevin schnitt das Band der elektrischen Hundeerziehung durch und drückte ihr das Messer in die Hand.
„Lauf!“
Sie fragte nicht, warum. Sie sah sich nicht einmal um. Schlaues
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