Undercover
Die Stimme kannte er, er drehte sich um und blickte in Kims Gesicht. Sie hatte ihre Sonnenbrille aufs Haar geschoben – wie fast alle hier – und lächelte ihn an.
Statt zu antworten, fragte er:
„Bist du am Kommen oder am Gehen?“
„Am Gehen. Ich habe mich mit einer Freundin getroffen. Und du?“
„Ich bin auch am Gehen.“ Ihm war die Lust auf einen Kaffee vergangen.
„Ach Shane, du bist immer noch so durchschaubar! Das hier ist doch gar nicht dein Stil!“ Sie lächelte wissend. „Was ist, willst du das Restaurant sehen, in dem wir die Hochzeit feiern? Wir können wir ja dort einen Drink nehmen.“ Sie blickte auf seine Krücke. „Kannst du so weit laufen?“
„Wo ist es denn? In Brisbane?“
Sie lachte amüsiert – wie früher nie . „Es ist das Sails , unten, an der Kurve der Hastings Street.“
Das waren höchstens drei- oder vierhundert Meter.
„Das schaff’ ich gerade noch.“
Kim bot ihm den Arm, und er nahm ihn an. Er konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann er zuletzt mit ihr Hand in Hand oder eingehängt gegangen war.
„Geht es so?“
„Wunderbar,“ sagte er trocken, „ könnte mich glatt daran gewöhnen .“
Sie lachte wieder. Wi e sehr hatte sie sich in den letzten Jahren verändert. Sofort fiel ihm sein Besuch bei Frank ein, und er fragte sich, ob er das Recht hatte, Kim ihres Glückes zu berauben, oder Misstrauen zu säen. Sollte er mit ihr über haupt über seinen Besuch sprechen? Allerdings ... w enn er es nicht tat, würde Frank es sicher am Abend tun und dann wä re sie sicher verärgert, dass Shane nichts davon erwähnt hatte.
Kim winkte jemandem . Er folgte ihrem Blick und sah eine zierliche, dunkelgebräunte Frau mit weißblondem Haar in einem engen, kurzen Kleid. Das Alter der Frau schätzte er auf mindestens fünfzig.
„Hi, Kim! Wir sehen uns an deinem großen Tag!“, rief die Frau he rüber, „wie geht es Frank? “
„Gut !“ Kim tätschelte Shanes Arm. „Das ist Shane, ich wollte ihm mal das Sails zeigen!“
„Hi Shane!“, rief die Frau über die Straße und einige Passanten blickten zu ihm herüber, „Sie kommen doch auch, oder?“
„Ja.“ Es war ihm peinlich, so im Mittelpunkt zu stehen.
„Bye, ich muss wieder!“ Sie drehte sich um und ging in eine Galerie.
„Das war Ann a“, sagte Kim, „Ihr Mann ist Makler. Ihnen gehören mindeste ns sieben Grundstücke in Noosa. Vielleicht könntest du auch mal ...“
„Nein! ...“, brummte Shane.
„Warum bist du so grummelig?“
„Jeder redet hier von Grundstücken und günstigen Gelegenheiten. Morgens studieren sie alle die Immobilenbeilagen der Zeitungen. Wie viel ist mein Haus heute wert? Gibt es denn noch was anderes, was die Menschen interessiert als Anhäufung von Besitz?“
Kim winkte ab und lachte. „Das ist ein wie Spiel. Es kann Spaß machen.“
„Ich weiß nicht.“ Sie gingen an einem Sonnenbrillenladen mit Drehständern vor der Tür vorbei. Da sie nichts erwiderte, redete er weiter. „Ich war bei Frank.“
Si e blieb stehen und sah ihn erstaun t und zugleich skeptisch an.
„Und?“
Er machte Anstalten weiter zu gehen, und da er in ihrem Arm eingehängt war, musste sie mitgehen. Er wusste nicht, wie er die Frage formulieren könnte, jene heikle Frage nach dem Vertrauen. Wer würde schon einem anderen Menschen gegenüber zugeben, dass er dem Menschen, den er in wenigen Tagen heiraten würde, nicht vertrauen würde? Kim sicher nicht.
„Kim, ich muss dich was E rnstes fragen.“ Bevor sie etwas fragen konnte, sagte er: „Kannst du Frank vertrauen?“
Kim blieb wieder stehen.
„Was soll das, Shane?“
„Kim, Frank war mit Tim Wilcox befreundet, und Wilcox hatte offenbar nicht gerade eine weiße Weste.“
Es vergingen ein paar Sekunden bis sie antwortete.
„ Natürlich vertraue ich Frank! Was hat er denn mit Wilcox’ Weste zu tun?“
„Ich dachte nur“, er brach ab.
Schweigend gingen sie an den T-Shirt-Ständern, Cafétischen und Schaufensterauslagen vorüber. Menschen drängten sich an ihnen vorbei.
„ I ch will dich nicht beunruhigen...“
„Hast du aber!“ Sie war verärgert. Nein, wütend. „Wenn du doch nur einmal jemandem vertrauen könntest, Shane O’Connor!“
Darauf wusste er nichts zu erwidern. Einerseits hatte sie Recht andererseits gehörte das Misstrauen zu seinem Beruf. Aber das hatter er ihr schon in ihren gemeinsamen Ehejahren nicht klarmachen können und so wechselte er das Thema.
„Sag’ mal, du erinnerst dich doch auch noch an
Weitere Kostenlose Bücher