Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
angesetzten rechten Geraden. Die richtete ihn auf und warf ihn so herum, dass er mir zugewandt war. Ich beugte die Knie, machte einen Schritt auf ihn zu und traf ihn mit einem Kniestoß zwischen den Augen. Explosiv. Die restlichen Gesichtsknochen, die meinen Ellbogencheck heil überstanden hatten, gaben nach, und er ging wie ein nasser Sack zu Boden. Leonid klopfte mir mit seinem Schlagring auf die Schulter. Er hielt das für einen Schlag, aber in seinem entkräfteten Zustand schaffte er nur ein leichtes Klopfen. Ich ließ mir Zeit, holte aus, zielte sorgfältig und legte ihn mit einem Kinnhaken flach. Sein Kiefer war bereits von meinem Ellbogen gebrochen; jetzt zersplitterte er noch mehr. Im Licht der Straßenbeleuchtung war deutlich zu sehen, wie Leonid in weitem Bogen Fleisch und Knochen spuckte. Zähne, vermutete ich, dazu vielleicht ein Stück seiner Zunge.
Ich zitterte leicht. Wie jedes Mal. Das überschüssige Adrenalin ließ mich innerlich verbrennen. Die Nebenniere arbeitet verdammt langsam. Und dann überkompensiert sie. Zu viel Produktion, die zu spät kommt. Ich brauchte zehn Sekunden, um wieder atmen zu können. Weitere zehn, um mich zu beruhigen. Dann schleifte ich die beiden Kerle über den Gehsteig und lehnte sie in sitzender Haltung an die Mauer, an der ich gestanden hatte. Ihre Kapuzenjacken dehnten sich einen Meter lang, als ich daran zerrte. Billigklamotten. Wegwerfartikel für den Fall, dass sie Flecken von meinem Blut abbekommen hätten. Nachdem ich die Kerle so zurechtgerückt hatte, dass sie nicht zur Seite sacken und ersticken würden, renkte ich ihnen den rechten Ellbogen aus. Sie waren beide Rechtshänder, und ich konnte mir ausrechnen, dass dies nicht die letzte Begegnung gewesen war. Für diesen Fall sollten sie außer Gefecht sein. Dauerschäden waren nicht zu befürchten. Nach drei Wochen in einem leichten Gips würden sie wieder so gut wie neu sein.
Sie hatten Handys in den Taschen. Ich steckte beide ein. Auf beiden Displays befand sich mein Foto. Mit beiden Handys war anscheinend nie telefoniert worden. Mehr war nicht zu finden: kein Geld, keine Schlüssel, keine handfesten Beweismittel, kein Hinweis darauf, wo sie hergekommen waren. Und keine Aussicht darauf, dass sie es mir demnächst erzählen würden. Ich hatte zu kräftig zugeschlagen. Beide würden noch längere Zeit bewusstlos sein. Und selbst wenn sie aufwachten, gab es keine Garantie dafür, dass sie sich an irgendwas erinnerten. Vielleicht nicht mal an ihre Namen. Gehirnerschütterungen können unberechenbare Nebenwirkungen haben. Sanitäter meinen es ernst, wenn sie Leute mit Gehirnerschütterung nach dem Datum und dem Namen des Präsidenten fragen.
Doch ich bereute nichts. Es war immer besser, übervorsichtig zu sein. Männer, die mitten im Kampf an die Folgen denken, kommen meistens nicht so weit. Sie bekommen die Folgen selbst zu spüren. Also kein Bedauern. Aber letztlich auch kein Reingewinn. Was frustrierend war. Nicht einmal die Schlagringe konnte ich über meine Hand streifen. Ich versuchte es, aber sie waren beide zu klein. Ich ließ sie in einen zehn Meter entfernten Gully fallen.
Der Impala stand noch immer mit laufendem Motor am Randstein. Er wies ein New Yorker Kennzeichen auf. Kein Navi, folglich auch kein digitaler Speicher mit Informationen über den Ausgangspunkt der letzten Fahrt. Im Türfach steckte ein Mietvertrag mit einem mir unbekannten Namen und einer Londoner Adresse, die ich für eine Fälschung hielt. Im Handschuhfach fand ich die Betriebsanleitung für den Chevy, ein kleines Notizbuch mit Spiralbindung und einen Kugelschreiber. Das Notizbuch enthielt keine Eintragungen. Ich nahm den Kugelschreiber, ging zu den beiden Kerlen zurück und hielt Leonids Kopf mit der linken Hand fest. Dann schrieb ich mit dem Kugelschreiber auf seine Stirn, drückte dabei fest auf und malte große Buchstaben, die ich mehrmals nachzog, damit sie nicht zu übersehen waren.
Ich schrieb: Lila, rufen Sie mich an.
Dann klaute ich ihren Wagen und fuhr davon.
54
Ich fuhr auf der Second Avenue nach Süden, folgte der 50th Street ganz bis nach Osten und stellte den Wagen einen halben Block vom FDR Drive entfernt an einem Hydranten ab. Ich hoffte, dass die Jungs vom 17. Revier ihn finden, misstrauisch werden und ihn unter die Lupe nehmen würden. Kleidungsstücke sind Wegwerfartikel. Autos eher weniger. Waren Lilas Männer mit dem Impala vom Tatort der Hammermorde weggefahren, mussten sich darin irgendwelche Spuren
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