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Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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mich zuerst fand.
    Ich überquerte die Madison Avenue und lief in Richtung Park Avenue weiter. Nun war ich direkt hinter dem Four Seasons, das zwei Blocks weiter südlich stand. Die Straße war ruhig. Hauptsächlich Luxusgeschäfte großer Ketten und Nobelboutiquen, alle geschlossen. Auf der Park Avenue ging ich nach Süden und auf der 58th Street wieder nach Osten. Viel gab es nicht zu sehen. Ein paar Stadthäuser, die aber alle gleich aussahen. Vier- bis fünfstöckige Klinkerfassaden, unten vergitterte Parterrefenster, oben heruntergelassene Jalousien, kein Licht. In manchen residierten die Konsulate kleiner Staaten. Andere waren von Wohltätigkeitsorganisationen und kleinen Firmen in Beschlag genommen. Einige dienten zu Wohnzwecken, waren aber in mehrere Apartments aufgeteilt. Wieder andere gehörten offensichtlich einzelnen Familien, aber sie alle schienen hinter verschlossenen Türen fest zu schlafen.
    Ich überquerte die Park Avenue und ging zur Lexington Avenue weiter. Ein stilles Wohnviertel. Vor allem Apartments, aber auch einige Häuser. Historisch gesehen lag sein Zentrum mehr im Südosten, aber optimistische Makler hatten seine Grenzen nach Norden und besonders nach Westen verschoben – bis zur Third Avenue. Seine neuen Randgebiete wirkten ziemlich anonym.
    Ideal für ein Versteck.
    Ich schlenderte weiter nach Westen und Osten, Norden und Süden, 58th, 57th, 56th Street, Lexington, Third, Second Avenue. Ich suchte viele Straßenblocks ab. Nichts sprang mir ins Auge. Und niemand sprang mich an. Ich sah viele Autos, aber alle waren rasch von A nach B unterwegs. Keines fuhr in dem zögerlichen Tempo, das verrät, dass der Fahrer die Gehsteige absucht. Ich sah auch viele Menschen, aber die meisten waren weit entfernt und gänzlich harmlos. An Schlaflosigkeit leidende Hundebesitzer, Krankenhauspersonal auf dem Heimweg von der East Side, Müllmänner und Portiers von Apartmentgebäuden, die etwas frische Luft schnappten. Mit einer Hundebesitzerin kam ich sogar ins Gespräch. Ihr Hund war ein alter grauer Köter, seine Herrin eine alte weißhaarige Dame, die ich auf ungefähr achtzig schätzte. Sie war elegant frisiert, gut geschminkt und trug ein altmodisches Sommerkleid, zu dem noch lange weiße Handschuhe gepasst hätten. Der Hund blieb stehen und blickte traurig zu mir auf, was seine Besitzerin dazu nutzte, mich anzusprechen. Sie sagte: »Guten Abend.«
    Es war fast drei Uhr, also längst Morgen, aber ich wollte nicht unfreundlich erscheinen. Also sagte ich nur: »Hallo.«
    Sie fragte: »Wussten Sie, dass dieses Wort eine neuere Erfindung ist?«
    Ich antwortete: »Welches Wort?«
    »Hallo«, sagte sie. »Als Gruß hat es sich erst nach der Erfindung des Telefons durchgesetzt. Die Leute hatten das Gefühl, etwas sagen zu müssen, wenn sie den Hörer abnahmen. Hier handelt es sich um eine Verfälschung des alten Wortes halloh, das Überraschung oder ein kleines Erschrecken ausdrückte. Halloh! hat man gerufen, wenn man auf etwas Unerwartetes stieß. Vielleicht hat das Schrillen der Telefonklingel manche Leute erschreckt.«
    »Ja«, sagte ich. »Das wäre möglich.«
    »Haben Sie ein Telefon?«
    »Ich benutze manchmal welche«, entgegnete ich. »Und ich weiß natürlich, wie sie klingeln.«
    »Empfinden Sie das Geräusch als störend?«
    »Ich habe immer gedacht, das sei sein Zweck.«
    »Nun, goodbye«, sagte die alte Dame. »Es war sehr nett, mit Ihnen zu plaudern.«
    Das gibt’s nur in New York, dachte ich. Die Frau ging mit ihrem alten Hund weiter. Ich sah ihr nach. Sie lief nach Osten, bog auf der Second Avenue nach Süden ab und kam außer Sicht. Ich machte kehrt und wandte mich nach Westen. Aber sechs, sieben Meter vor mir hielt ein goldener Chevy Impala mit quietschenden Reifen am Fahrbahnrand, und Leonid stieg hinten aus.

53
     
    Leonid blieb am Randstein stehen. Der Wagen fuhr wieder an und hielt sechs, sieben Meter hinter mir. Jetzt stieg der Fahrer aus. Clever gemacht. Damit war der Gehsteig durch je einen Mann vor und hinter mir blockiert. Leonid sah ähnlich wie in der Bahnhofshalle, aber doch anders aus. Groß und schlaksig, wie zuvor kahl bis auf seinen rötlichen Stoppelbart, aber diesmal ordentlich gekleidet. Er trug schwarze Laufschuhe, eine schwarze Jogginghose und eine schwarze Kapuzenjacke. Er wirkte ausgeschlafen, hellwach und gefährlich und machte den Eindruck, mehr als ein Gangster zu sein. Mehr als ein Rowdy oder Schläger. Er sah wie ein Profi aus. Gut ausgebildet und

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