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Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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Seminar in Rucker nicht genug gelernt. Vielleicht hätte ich besser aufpassen sollen. Das Schweigen dauerte einige Herzschläge zu lange und begann peinlich zu werden. Ich fragte: »Hat sie Ihnen überhaupt etwas über ihre Arbeit erzählt?«
    »Eigentlich nicht. Vielleicht hat’s nicht viel zu erzählen gegeben.« Das sagte er mit einem Anflug von Verbitterung, als wäre seine Schwester bei einer Lüge ertappt worden.
    Ich sagte: »Leute schmücken manche Dinge aus, Jake. Das liegt in der menschlichen Natur. Vielleicht wollte sie bloß damit konkurrieren können, dass Sie ein Cop sind.«
    »Wir haben uns nicht nahegestanden.«
    »Trotzdem waren Sie ihr Bruder.«
    »Das stimmt wohl.«
    »Hatte sie Freude an ihrem Job?«
    »Ich glaube schon. Und er muss gut zu ihr gepasst haben. Sie hat alle Voraussetzungen für den Umgang mit Akten und Archivmaterial mitgebracht. Großartiges Gedächtnis, akribisch, sehr gut organisiert. Und gute Computerkenntnisse.«
    Erneut senkte sich Schweigen herab. Ich begann wieder an Annandale zu denken. Ein netter, jedoch nicht weiter bemerkenswerter Ort. Unter den gegenwärtigen Umständen zeichnete er sich lediglich durch eine Eigenschaft aus.
    Er war sehr weit von New York City entfernt.
    Susan war kein unglücklicher Mensch.
    Jake fragte: »Was?«
    Ich antwortete: »Nichts. Geht mich nichts an.«
    »Aber was?«
    »Ich denke nur nach.«
    »Worüber?«
    Dahinter steckt mehr, als auf den ersten Blick ersichtlich ist.
    Ich fragte: »Wie lange sind Sie schon Cop?«
    »Achtzehn Jahre.«
    »Immer am selben Ort?«
    »Ausgebildet hat mich die State Police. Danach bin ich übergewechselt. Das ist heutzutage üblich.«
    »Bekommen Sie viele Selbstmorde zu sehen?«
    »Vielleicht einen bis zwei pro Jahr.«
    »Kündigen sie sich gewöhnlich irgendwie an?«
    »Eigentlich nicht. Die meisten sind eine Riesenüberraschung.«
    »Wie dieser hier.«
    »Richtig.«
    »Aber für jeden einzelnen muss es einen Grund gegeben haben.«
    »Immer. Finanziell, sexuell, irgendwelcher Scheiß, der aufzufliegen droht.«
    »Also muss Ihre Schwester einen Grund gehabt haben.«
    »Ich wüsste nicht, welchen.«
    Ich verstummte wieder. Jake sagte: »Los, raus damit! Erzählen Sie’s mir.«
    »Steht mir nicht zu.«
    »Sie waren ein Cop«, sagte er. »Sie haben etwas gesehen.«
    Ich nickte, sagte: »Von den Selbstmorden, mit denen Sie befasst waren, dürften zwei Drittel zu Hause passiert sein, während das restliche Drittel Selbstmörder auf einen einsamen Waldweg gefahren ist und einen Schlauch übers Auspuffrohr geschoben hat.«
    »Mehr oder minder.«
    »Aber immer in vertrauter Umgebung. An einem ungestört ruhigen Ort. Stets an einem bewusst angesteuerten Ziel. Man fährt hin, man bestätigt seinen Entschluss, man tut es.«
    »Was soll das heißen?«
    »Das soll heißen, dass ich noch nie von einem Selbstmord gehört habe, bei dem jemand Hunderte von Meilen von zu Hause wegfährt und sich dann erschießt, während die Reise noch im Gange ist.«
    »Ich hab’s Ihnen gesagt.«
    »Sie haben gesagt, sie habe sich nicht selbst erschossen. Trotzdem hat sie’s getan. Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen. Aber ich sage, dass sie’s auf höchst unkonventionelle Weise getan hat. Tatsächlich glaube ich nicht, dass ich schon mal von einem Selbstmord in einem U-Bahnwagen gehört habe. Unter einem, klar, aber nicht in einem. Haben Sie jemals von einem Selbstmord in einem fahrenden öffentlichen Verkehrsmittel gehört?«
    »Und?«
    »Und nichts. Ich frage nur, das ist alles.«
    »Wieso?«
    »Einfach so. Sie müssen wie ein Cop denken, Jake. Nicht wie ein Bruder. Was macht man, wenn irgendwas offensichtlich nicht stimmen kann?«
    »Man gräbt tiefer.«
    »Tun Sie’s also.«
    »Das macht sie nicht wieder lebendig.«
    »Aber es hilft, eine Sache zu verstehen.« Auch das war eine Idee, die in Fort Rucker gelehrt wurde. Allerdings nicht im Psychologieseminar.
    Ich ließ mir Kaffee nachschenken, und Jacob Mark griff nach einem Zuckertütchen und spielte damit. Ich konnte sehen, dass sein Kopf wie der eines Cops und sein Herz wie das eines Bruders funktionierte. Das zeichnete sich deutlich auf seiner Miene ab. Tiefer graben. Das macht sie nicht wieder lebendig.
    Er fragte: »Was sonst noch?«
    »In dem Wagen war ein Fahrgast, der abgehauen ist, bevor das NYPD ihn befragen konnte.«
    »Wer?«
    »Irgendein Kerl. Die Cops haben vermutet, dass er nicht wollte, dass sein Name zu Protokoll genommen wurde. Sie meinten, dass er vielleicht seine

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