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Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)

Titel: Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lee Child
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widerstreitenden Überlegungen bewirkten, dass ich mich halb entspannt, halb unter Zeitdruck stehend fühlte. Ich nahm die Brechstange in den Zellenblock mit. Jacob Mark sah mich an und sagte nichts. Theresa Lee sah mich an und fragte: »Werden in der Eighth Street jetzt solche Schuhe verkauft?«
    Ich gab keine Antwort, trat nur auf die Rückseite ihrer Zelle und rammte das flache Ende der Brechstange unter den Käfigboden. Dann belastete ich die Stange mit meinem Gewicht und spürte, wie das ganze Ding sich etwas bewegte. Nur ungefähr einen Zentimeter weit. Nicht viel mehr, als der natürlichen Nachgiebigkeit des Materials entsprach.
    »Unsinn«, meinte Lee. »Dieses Ding ist ein freistehender Würfel. Sie können ihn vielleicht umkippen, aber dann bin ich immer noch drinnen.«
    Ich sagte: »Tatsächlich steht er nicht frei.«
    »Er ist nicht am Boden festgeschraubt.«
    »Aber er ist an ein Abflussrohr angeschlossen. Unter der Toilette.«
    »Nützt das etwas?«
    »Ich hoffe schon. Hält der Anschluss, wenn ich den Käfig anhebe, reißt der Boden ab, und Sie können rauskriechen.«
    »Glauben Sie, dass er hält?«
    »Kommt darauf an. Dies ist eine Art Wettbewerb.«
    »Zwischen wem?«
    »Zwischen gesetzlichen Vorschriften aus dem neunzehnten Jahrhundert und einem schlampig arbeitenden Schweißer mit einem Staatsauftrag aus dem einundzwanzigsten. Sehen Sie, wie der Boden nicht überall angeschweißt ist? Nur an einigen Stellen?«
    »Das ist beim Punktschweißen immer so.«
    »Wie stark ist die Verbindung?«
    »Ziemlich stark. Wahrscheinlich stärker als das Abflussrohr.«
    »Vielleicht auch nicht. Im neunzehnten Jahrhundert hat es in New York eine Choleraepidemie gegeben. Eine große Epidemie mit vielen Toten. Die Stadtväter haben schließlich rausbekommen, dass der Inhalt von Klärgruben ins Trinkwasser gelangt war. Also haben sie eine anständige Kanalisation bauen lassen und alle möglichen Normen für Rohre und Rohrverbindungen festgelegt. Diese Normen stehen noch heute in den Bauvorschriften. Ein solches Rohr ist über dem Boden angeflanscht. Ich setze darauf, dass die Verbindung stärker ist als die Schweißpunkte. Im neunzehnten Jahrhundert haben Installateure lieber alles etwas zu stark dimensioniert. Anders als irgendeine heutige Firma, die auf Geld von der Heimatschutzbehörde scharf ist.«
    Lee zögerte einen Augenblick. Dann lächelte sie flüchtig. »Ich werde also illegal aus staatlichem Gewahrsam befreit – oder das Abflussrohr wird aus dem Boden gerissen. In beiden Fällen sitze ich in der Scheiße.«
    »Genau.«
    »Tolle Aussichten.«
    »Die Entscheidung liegt bei Ihnen«, sagte ich.
    »Versuchen Sie’s.«
    Im übernächsten Raum begann ein Telefon zu klingeln.
    Ich kniete mich hin und schob das flache Ende der Brechstange nur so weit unter die untere Querstange des Käfigs, dass es die Bodenwanne nicht berührte. Dann rückte ich es etwas zur Seite, bis es sich genau unter einem der Schweißpunkte befand, was zugleich bedeutete, dass die nach oben gerichtete Kraft auf einen der senkrechten Gitterstäbe einwirken würde.
    Im übernächsten Raum hörte das Telefon zu klingeln auf.
    Ich nickte Lee zu und sagte: »Stellen Sie sich auf den Toilettensitz. Wir brauchen Ihr zusätzliches Gewicht.«
    Sie stieg auf den Sitz und hielt breitbeinig das Gleichgewicht. Ich sorgte dafür, dass die Brechstange kein Spiel mehr hatte, und stellte mich dann darauf und wippte einmal, zweimal, dreimal kräftig. Hundertfünfzehn Kilo Masse, die außen an einem anderthalb Meter langen Hebelarm angriffen. Daraufhin passierte dreierlei. Erstens grub die Brechstange eine flache Rinne in den Beton unter der Zelle, was mechanisch ineffizient war. Zweitens verzog der ganze Gitterkäfig sich leicht, was ebenfalls ineffizient war. Aber drittens sprang eine hell glänzende Stahlperle klickend ab und rollte davon.
    »Das war ein Punkt«, rief Lee. »Wie im Punktschweißen.«
    Ich schob die Brechstange dreißig Zentimeter weiter nach links unter den nächsten Schweißpunkt an einem Gitterstab, klemmte sie ein, stellte mich darauf und wippte dreimal kräftig. Die Ergebnisse waren gleich: eine flache Rinne im Betonboden, krumme Gitterstäbe und das Klicken, mit dem ein Schweißpunkt absprang.
    Im übernächsten Raum begann ein zweites Telefon zu klingeln. Mit anderem Klingelton. Dringender.
    Ich trat zurück und atmete tief durch. Verschob meine Brechstange erneut, diesmal dreißig Zentimeter nach rechts. Wiederholte das Verfahren

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