Underground: Ein Jack-Reacher-Roman (German Edition)
verschwanden darin. Uns sahen sie überhaupt nicht. Hätten wir uns jedoch nach rechts gewandt, wären sie beim Aussteigen praktisch mit uns zusammengeprallt. Also hatten wir Glück gehabt. Das feierten wir, indem wir zur Sixth Avenue weiterhasteten. Jacob Mark erreichte sie als Erster. Er hatte als Einziger von uns anständige Schuhe an.
Wir überquerten die Sixth Avenue, folgten der Bleecker Street ein Stück weit und fanden dann Zuflucht in der Cornelia Street, die eng und düster und bis auf die Gäste an Cafétischen auf den Gehsteigen relativ leer war. Wir machten einen weiten Bogen um sie, und sie beachteten uns nicht. Sie interessierten sich mehr für ihr Essen. Das konnte man ihnen nicht verübeln. Es roch gut. Ich war trotz des Käse-Salami-Sandwichs sehr hungrig. Am stillen Ende der Straße blieben wir stehen, um Inventur zu machen. Lee und Jake besaßen nichts. Ihr ganzes Zeug war im Keller der Feuerwache weggesperrt. Ich hatte nur, was ich von dem Tisch im Vernehmungsraum mitgenommen hatte, darunter als Wichtigstes mein Geld, meine Bankkarte, die Metrocard und Leonids Handy. In bar besaß ich dreiundvierzig Dollar und etwas Kleingeld. Mit der Metrocard konnte man noch viermal fahren. Der Akku von Leonids Handy war fast leer.
Wir waren uns darüber einig, dass meine Kontonummer und Leonids Handynummer in verschiedenen Computersystemen Alarm auslösen würden. Benutzten wir die Karte oder das Handy, würde jemand sekundenschnell davon erfahren. Aber das machte mir keine allzu großen Sorgen. Um schaden zu können, müssen Informationen nützlich sein. Flüchteten wir aus der West 3rd Street und hoben einige Tage später in Oklahoma City oder New Orleans oder San Francisco Geld ab, war das eine wichtige Erkenntnis. Hoben wir es jedoch sofort, nur wenige Blocks von der Feuerwache entfernt ab, war sie wertlos. Sie enthielt nichts, was nicht schon bekannt war. Und in New York gibt es so viele Mobilfunkmasten, dass eine Triangulation schwierig war. Eine ungefähre Position ist draußen auf dem Land nützlich, in der Großstadt jedoch nicht so sehr. Um ein zwei mal zwei Blocks großes Zielgebiet mit bis zu fünfzigtausend Menschen zu durchsuchen, bräuchte man zwei Tage.
Also gingen wir weiter und fanden in einem leuchtend blauen Bankfoyer einen Geldautomaten, an dem ich so viel Geld abhob, wie er mir geben wollte: dreihundert Dollar. Anscheinend mein Limit pro Tag. Und das Gerät war langsam. Vermutlich absichtlich. Die Banken arbeiten mit der Polizei zusammen. Sie schlagen Alarm und verlangsamen die Transaktion. So sollen die Cops eine Chance bekommen, rechtzeitig aufzukreuzen. Das mag anderswo möglich sein, ist aber im Großstadtverkehr eher unwahrscheinlich. Das Gerät wartete und wartete und wartete, dann spuckte es widerstrebend die Scheine aus. Ich entnahm sie und lächelte dankend. Alle diese Geräte haben eine Überwachungskamera, die jede Auszahlung aufzeichnet.
Dann zogen wir weiter, und Lee gab zehn meiner neuen Dollars für eine Runde Sandwichs aus. In einem anderen Geschäft erwarb sie ein Handyladegerät für Notfälle. Es wurde mit einer AA -Batterie betrieben. Sie steckte es in Leonids Handy ein und rief ihren Partner Docherty an. Inzwischen war es 22.10 Uhr, und er würde bald zum Dienst müssen. Aber er meldete sich nicht. Lee hinterließ eine Nachricht, dann schaltete sie das Handy aus. Sie sagte, in jedem Mobiltelefon stecke ein GPS -Chip. Das wusste ich nicht. Sie sagte, der Chip sende alle fünfzehn Sekunden ein Signal und sei auf fünf Meter genau zu orten. Sie sagte, dieses Verfahren sei weit präziser als die frühere Triangulation. Sie sagte, auf der Flucht dürfe man ein Handy immer nur kurz benutzen, bevor man den Standort wechsle. So seien die Verfolger immer einen Schritt zu spät dran.
Also blieben wir in Bewegung. Auf den Straßen sahen wir immer wieder Streifenwagen. Das NYPD ist eine riesige Organisation. Die größte Polizei Amerikas. Vielleicht die größte der Welt. Nachdem wir den Washington Square Park im Norden umgangen hatten, zogen wir nach Osten weiter und fanden in der Nähe der New York University ein lautes Bistro. In dem düsteren Lokal drängten sich junge Leute, vor allem Studenten. Manche Gerichte, die es dort gab, waren sogar zu erkennen. Ich hatte Hunger und fühlte mich ausgetrocknet. Vermutlich hatten meine Organe im Akkord gearbeitet, um die Doppeldosis Barbiturat abzubauen. Ich trank mehrere Gläser Leitungswasser und bestellte einen Milchshake mit
Weitere Kostenlose Bücher