Underground
Leute vermuten, dass an magischen oder okkulten Dingen etwas Wahres dran sein könnte. Leute wie Will …«
Ich brach ab, ehe ich zu viel sagte. Aber Quinton hatte bereits begriffen. »Will.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mir vorstellen, dass es … dass es schwer für dich ist …
Ich meine, es muss schwer sein, mit jemand zusammen zu sein, der all diese Dinge ablehnt oder sich nicht damit auseinandersetzen will.«
Ich wich seinem Blick aus und ärgerte mich über mich selbst. Warum nur fühlte ich mich so verzweifelt und wütend? Quinton durfte das auf keinen Fall sehen. »Ja … Nun … Ich glaube nicht, dass wir noch zusammen sind.« Ich hielt eine Hand hoch, ehe er etwas sagen konnte, und schüttelte den Kopf. Dann fügte ich hinzu: »Momentan möchte ich aber nicht über Will und all die anderen reden, die nur an Populärwissenschaftliches, an das Fernsehen und an Dinge glauben, die ihnen die Medien diktieren. All das Zeug, das in ihre kleinen Köpfe passt. Ich habe das Gefühl, dass du Vampire, Geister, Hexen und Magie nicht sonderlich magst. Aber du scheinst auch kein Problem damit zu haben, dass so etwas existiert. Oder auch nicht mit mir. Warum eigentlich nicht?«
Er nahm sich einen Moment Zeit, ehe er antwortete: »Ich halte es für falsch, an Vorstellungen festzuhalten, die nicht stimmen, aber von der Mehrzahl der Leute bevorzugt werden. Vor langer Zeit habe ich gelernt, dass man, um ins Innere vorzustoßen, bereit sein muss, erst einmal das Innere so zu akzeptieren, wie es ist.« Er lehnte sich mit der Hüfte gegen einen Tisch und nippte an seinem Bier. Neben ihm stand ein altes Laubgebläse.
»Manchmal habe ich mich gezwungen gesehen, die Dinge einfach zu akzeptieren, ohne dass sie sichtbar sind«, fuhr er fort. »Schließlich kann man auch Schwerkraft nicht berühren oder sehen. Und trotzdem gibt es sie. Ich habe mich schon früh für die Löcher in der Realität interessiert, und wenn ich keine klare Antwort gefunden habe, dann habe ich so lange herumgestochert, bis ich eine fand,
die passte. Das Wissen, dass es solche Löcher und Lücken in unserer Vorstellungswelt gibt, hat mir übrigens schon oft weitergeholfen. Ich bin also daran gewöhnt, Dinge zu akzeptieren, die von den meisten als verrückt abgelehnt werden. Ich kann magische Sachen zwar nicht sehen – so wie du, glaube ich -, aber natürlich kann ich Beweise für ihre Existenz erkennen. Hier unten herrscht Anarchie, und deshalb ist die Präsenz von Magie und all den Dingen und Wesen, die damit in Zusammenhang stehen, wesentlich deutlicher als anderswo zu spüren – wenn du darauf achtest. Oder wenn du Pech hast.«
»Hast du jemals einen Geist gesehen?«, wollte ich von ihm wissen. Es wäre für mich ausgesprochen erleichternd gewesen, endlich jemanden zu kennen, der diese Wesen ebenfalls sah.
»Einen Geist? Nein, glaube nicht. Aber ich habe schon oft seltsame Dinge beobachtet. Kalte Strudel oder Bewegungen in der Luft, die sich nicht erklären lassen. Oder ich habe auch merkwürdige Geräusche gehört. Würdest du so etwas als Geist bezeichnen?«
»Nein. Das sind nur die Special Effects«, entgegnete ich trocken.
Quinton grinste. »Magie und Geister sind Kräfte, die ich akzeptiere, auch wenn sie mir nicht unbedingt zusagen. Ich mag auch keine Vampire, aber das hat andere Gründe. Wenn du zu den Bewohnern im Untergrund gehörst, bist du für sie leichte Beute. Hier fällt es niemandem auf, wenn du plötzlich verschwindest.«
Die Luft um ihn schien auf einmal zu gerinnen. Sein Widerwille zeigte sich in olivgrünen Schwaden, die von roten Blitzen durchzogen wurden. »Die Obdachlosen sind für Vampire wie für den Rest der Gesellschaft auch nur
nutzloser Ballast. Aber die Vampire können sie zumindest noch gebrauchen, ehe sie auf dem Müll landen. Ich glaube, sie stecken hinter dem, was mit den Obdachlosen und den Bewohnern des Untergrunds in letzter Zeit passiert.«
»Wie kommst du darauf?«
»Wie sollte ich nicht darauf kommen? Wen gibt es sonst noch hier unten, der sich auf die Lauer legt, um uns zu fangen? Für die Vampirwelt stellen wir quasi ein Fast-Food-Restaurant dar. Die Vampire müssen einfach nur nach Einbruch der Dunkelheit zum Pioneer Square gehen, dort eine Gasse oder einen sonstigen Eingang finden, in einen Keller steigen – und schon gibt es frisches Blut. Ich verstehe nur nicht, warum sich ihre Vorgehensweise so drastisch verändert hat. Normalerweise passen sie auf und zerfetzen ihre Opfer nicht so wie
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