Underground
ganz einfach ausgelaugt. Du brauchst einen Mann mit Schmackes. Zumindest mit einem starken Charakter. Es ist doch lächerlich, dass du zu schwierig für ihn sein sollst!«, schnaubte Phoebe empört. »So ein Esel!«
Ich lachte. So hätte ich Will zwar nicht bezeichnet, aber ich fand die Vorstellung des schlanken Will mit seinen silbergrauen Haaren und Eselsohren recht lustig.
Phoebe grinste. »So ist es schon besser. Also – was hast du mit dem Rest des Tages vor? Und sag bloß nicht, dass du arbeiten willst. Oder dich zu Hause verkriechen!«
»Nein«, erwiderte ich noch immer kichernd. »Ich muss mir etwas Neues zum Überziehen kaufen. Mein alter Mantel wurde letzte Nacht ziemlich in Mitleidenschaft gezogen, und ohne dicke Jacke oder Mantel kommt man diesmal wohl nicht über den Winter. Aber du weißt ja, wie ich shoppen gehe.«
Sie nickte. »Ich weiß. Du kaufst einfach das, was in der Nähe der Tür hängt, und dann verlässt du fluchtartig das Geschäft.« Diese Beschreibung traf ziemlich genau auf mich zu. »Also gut. Dann iss jetzt erst einmal dein Frühstück, damit ich Poppy nicht erzählen muss, dass du verhungerst. Und dann gehen wir shoppen.«
Ich rollte mit den Augen. »Einverstanden, Mami.« Diese Antwort brachte mir einen weiteren strengen Blick ein, der so gar nicht zu Phoebes rundem, gutmütigem Gesicht passte. Aber zumindest gab ich mir Mühe, meinen Teller fast leerzuessen, ehe wir aufbrachen.
Wir befanden uns gerade im Keller des Private Screening
– einem Secondhandladen eine Straße von Phoebes Buchladen entfernt – als mein Handy klingelte. Offenbar hatte mich das normale Leben wieder.
»Hi, Ms. Blaine. Hier ist Fish aus der Leichenhalle. Tut mir leid, Sie am Wochenende zu stören, aber ich habe ein paar spannende Dinge entdeckt und dachte mir, dass Sie vielleicht daran interessiert sein könnten.«
»Arbeiten Sie denn auch sonntags?«, fragte ich überrascht, während ich mit einem Mohair-Monster aus den fünfziger Jahren kämpfte.
»Es wird sieben Tage die Woche gestorben. Und mein Chef bleibt normalerweise am Sonntag zu Hause, sodass ich recht problemlos die Datenbank durchsehen konnte.«
Phoebe starrte mich finster an. »Hat das etwas mit deiner Arbeit zu tun, Mädchen?«, fragte sie leicht verärgert.
»Ja.«
Sie schnalzte mit der Zunge. »Hätte ich mir denken können. Du wirkst plötzlich so animiert.« Sie half mir aus der Jacke, während ich weiter mit Fish telefonierte.
»Was haben Sie herausgefunden?«
»Einige der Aufzeichnungen sind ziemlich alt. Aber ich habe noch ein paar andere Todesfälle mit ähnlichen Verletzungen und einem ebenso starken Blutverlust entdeckt. Sie stammen aus der Zeit kurz nach dem Feuer während des Wiederaufbaus. Es sind zwar nicht viele, aber doch einige. Alle um den Pioneer Square und die Lavabetten herum.«
»Die Lavabetten?«
»Das ist die Gegend um die neuen Stadien, damals das Rotlichtmilieu. Im Volksmund wurde es Lavabetten genannt. Die meisten Toten, die in das Muster passen, fand
man südlich von Yesler Way. Zeitlich fallen sie mit dem Abriss beziehungsweise dem Wiederaufbau der Gegend zusammen. Genau wie nach dem Erdbeben.«
»Wie viele passende Todesfälle haben Sie denn genau gefunden?«
»Einen Moment … Insgesamt sind es elf eindeutige Todesfälle und zwar über einen Zeitraum von circa fünfzig Jahren, zwischen dem Feuer und dem Erdbeben von 1949, verteilt. Es könnten natürlich auch mehr sein, aber weiter habe ich nichts gefunden. Vielleicht wäre ich erfolgreicher, wenn ich das Ganze nicht durch den Computer laufen lasse, sondern selbst die Akten durchstöbere.«
»Nein, Fish. Vielen Dank. Die Mühe müssen Sie sich nicht machen. Das reicht vollkommen. Es zeigt uns eindeutig, dass es sich tatsächlich um eine Serie handelt, die noch dazu auf eine bestimmte Gegend begrenzt ist. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Und was wollen Sie jetzt mit diesen Informationen machen?«
»Würden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, dass ich mich jetzt auf die Jagd nach einem Monster mache?«
Er lachte. »Möglicherweise. Es könnte schließlich alles sein, und da die Serie so weit zurückreicht, kann es sich wohl kaum um einen Menschen handeln – es sei denn, wir haben es mit einem Nachahmungstäter zu tun. Aber solche Leute tendieren eher dazu, berüchtigte Verbrechen zu kopieren und nicht irgendwelche scheinbar zufälligen Unfälle.«
Verblüffenderweise schien Fish die Vorstellung, es mit einem nicht-menschlichen Killer zu
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