Undines Rache
Die Kraft des Wassers, die Kraft des Reiches Aibon…«
Ein letzter Ruck, und er hatte den Sack in die Höhe gezogen. Die Nixe rutschte heraus. Sie fiel in das Becken, schlug um sich, drehte sich dann auf den Rücken und sah über sich riesengroß das Gesicht des Mannes mit den fanatisch glänzenden Augen.
Was dann geschah, war furchtbar und gleichzeitig unfaßbar. Für Fontain und seine Männer aber sollte es ein weiterer Schritt in die Vollkommenheit werden…
***
Auf einmal verzerrte sich das schöne Gesicht der Nixe. Es bekam etwas Fischartiges, und das Wesen sah aus, als wollte es nach Luft schnappen, um sich noch ein paar Sekunden Leben zu gönnen. Das war nicht mehr möglich, denn das von den Spiegeln zielgenau reflektierte Licht prallte in die Augen der kleinen Nixe hinein und zerstörte den Körper mit elementarer Wucht.
Es dauerte nur Sekunden, als die kleine Nixe buchstäblich zerplatzte, dabei aber in einen anderen Zustand überging. Fontain schaute gebannt zu, wie sie sich verwandelte.
Sie löste sich auf.
Aus dem festen Material wurde ein flüssiges. Vor seinen Augen verwandelte das Licht den Körper in Wasser. Füße, Beine, die Brust, die Arme, das alles verschwamm und löste sich auf. Die Flüssigkeit breitete sich als glänzende Lache auf dem Boden der breiten Schüssel aus, in der nur mehr das kleine Gesicht schwamm.
Es war ein Bild des Schreckens, aber ein Widerling wie Fontain genoß den Ausdruck der Qual in den Augen, und er ließ sich nichts entgehen. Sein Lächeln vertiefte sich, als der Hals nicht mehr zu sehen war, dann kam der Mund an die Reihe, die Nase, die Augen wurden zu wäßrigen Kreisen, die Stirn folgte, und die Haare schwammen zitternd weg, wobei sie ebenfalls in den flüssigen Zustand übergingen. Zurück blieb nichts mehr von der Nixe, nur eben das leicht schimmernde Wasser.
Justus Fontain war zufrieden, sehr zufrieden sogar, was er durch sein Nicken bewies. Wieder einmal hatte er etwas geschafft, das von anderen Menschen kaum für möglich gehalten wurde, aber Fontain und seine Freunde hatten den Weg gefunden.
»Aus dem Wasser sind wir gekommen«, flüsterte er. »Und es wird das Wasser sein, daß uns die Urkräfte und damit auch die Vollkommenheit zurückgibt…«
Seine Augen glänzten wie im Fieber. Er war ein Fanatiker und zeigte dies auch. Das Lächeln blieb, die Mundwinkel zuckten, er schnaufte und blies in das Wasser hinein, das auf der Oberfläche leichte Kringel-und Kräuselbewegungen hinterließ.
Wieder einmal hatte er es geschafft.
Bevor er seinen rechten Zeigefinger in die Flüssigkeit tauchte, wischte er ihn an einem Taschentuch ab. Danach fuhr er mit der Spitze durch das Wasser, es fühlte sich so wunderbar warm an, war auch nicht so flüssig wie normales Wasser, sondern etwas dicker, aber nicht so dick wie das Blut eines Menschen. Sein Fließpunkt lag irgendwo dazwischen. Doch es war genau richtig.
Justus Fontain war sehr zufrieden. Er hätte kaum gedacht, in dieser Nacht noch einen derartigen Fortschritt zu erreichen, denn die beiden Typen aus London waren sehr gefährlich gewesen. Er hatte sie nicht unterschätzen dürfen.
»Kleine Nixe«, sprach er gegen die Lache. »Ist es nicht wunderbar, daß du uns dienen darfst und uns den Weg hinein in die Vollkommenheit zeigst?« Da er keine Antwort bekam, gab er sie sich selbst und auf seine Weise. Fontain nahm den Finger aus der Flüssigkeit und führte ihn an den Mund und leckte ihn ab. Sein Blick nahm den Ausdruck der Verzückung an, als er die Flüssigkeit kostete. Sie sah neutral aus, doch sie hatte Geschmack.
Nach Wald, nach Freiheit, nach Kräutern und Wind. So hatte er es immer definiert, und auch seine Freunde waren damit einverstanden. Schwach entdeckte er sein eigenes Gesicht als Spiegelbild auf der Oberfläche. Er nickte sich noch einmal zu, um sich dann abzuwenden. Dieser Raum hatte zwei Türen. Durch eine war er gekommen, durch die andere verließ er ihn, um ein kleines Restaurant zu betreten, das auch als Konferenzzimmer diente. Es stand ein langer Tisch darin und an den Seiten mehrere Stühle.
Genau sechs an jeder Seite.
Sein Stuhl hatte den Platz am Kopfende des Tisches gefunden. Mit ihm waren sie dreizehn.
Eine magische Zahl, dessen Bedeutung er nur unterstützen konnte. In den Wald waren nicht alle mitgekommen, aber ein jeder wußte, wann die Zeit reif war, um das Mahl einzunehmen.
Fontain schaute auf die Uhr.
Noch eine halbe Stunde, dann trafen sie zusammen. Danach würde nichts
Weitere Kostenlose Bücher