Undines Rache
wäre nicht einmal unübel. Ich bin dafür – vorausgesetzt, Mrs. Gumm, dieser von Ihnen angebotene Salat sagt uns zu.«
»Er ist sehr frisch. Ich habe ihn heute geerntet. Er ist in meinem kleinen Treibhaus gewachsen, hat aber auch das erste Sonnenlicht abbekommen. Sie können ihn sich ansehen und entscheiden dann…«
»Nicht nötig, ich vertraue Ihnen.« Fontain legte seine Hand auf die der Frau und spürte, wie diese zusammenzuckte, denn sie hatte das Gefühl, von einem kalten Fisch berührt zu werden. Fontain verstärkte den Druck etwas. Er schaute ihr in die großen Augen. Vergeblich versuchte die Frau, dem Blick auszuweichen. Er hatte etwas Faszinierendes und gleichzeitig Beschwördendes. »Ihr Mann ist noch in Kur, wie ich weiß, Mrs. Gumm?«
»Ja, das stimmt.« Es war ihr unangenehm, dies zugeben zu müssen, aber sie konnte nicht lügen. »Fühlen Sie sich nicht allein?«
»Auf keinen Fall. Wir haben genug zu tun. Bald beginnt die Sommersaison. Zwar kommen nicht viele Gäste her, aber es ist schon zu tun. Zumeist nette Gäste, Wanderer, Naturliebhaber…«
»Finden Sie uns nicht nett, Mrs. Gumm?«
Sie hatte schon vorher gewußt, daß sie mit ihrer Antwort einen Fehler begangen hatte. Eine heiße Lohe durchzuckte ihren Körper und rötete das Gesicht. »Natürlich finde ich Sie und Ihre Freunde in Ordnung, Mister Fontain. Keine Frage…«
»Dann bin ich beruhigt. Wir machen Ihnen kaum Arbeit. Wir benehmen uns anständig, wir gehen unseren eigenen Weg.« Er ließ ihre Hand endlich los und streckte den Arm aus. Mit der flachen Hand berührte er ihre Wange, und Gunda wäre gern zurückgezuckt, was sie allerdings nicht schaffte. Sie blieb in einer verkrampften Haltung stehen und hörte die Worte ihres Gastes. »Sie sind eine sehr schöne Frau, Mrs. Gumm. Und eine Frau wie Sie darf nicht allein bleiben.«
»Mein Mann kommt bald…« Ihre Stimme versagte, und sie ärgerte sich darüber.
»Vergessen Sie Ihren Mann. Ich werde Sie morgen früh noch einmal ansprechen, Mrs. Gumm…«
»Dann muß ich weg.«
Er lächelte breit und fügte mit seiner intensiven Flüsterstimme hinzu.
»Aber Sie kehren zurück, denke ich.«
»Ja«, sagte sie leise, den Kopf senkend. »Das muß ich wohl.«
Fontain lachte.
Es klang siegessicher. Dann ließ er sich doch seinen Zimmerschlüssel geben und steckte ihn ein. »Es ist möglich, daß wir in dieser Nacht noch einmal wegmüssen. Machen Sie sich unseretwegen keine Gedanken, Mrs. Gumm.«
»Das werde ich auch nicht.«
Fontain deutete eine Verbeugung an, drehte sich ab und ging nach links weg, als würde er eine Bühne verlassen.
Gunda Gumm atmete tief durch. Sie schloß für einen Moment die Augen, lehnte sich zurück und spürte in ihrem Rücken das Holz des Schlüsselkastens. Als sie dem Mann wieder nachblickte, entdeckte sie auch den zugeschnürten Sack in seiner rechten Hand, und sie fragte sich zum wiederholten Male, was er wohl beinhalten würde. Nicht erst heute kehrten die Gäste mit einem Sack zurück. An manchen Tagen hatten sie zwei und drei mitgebracht, und einmal war es ihr gewesen, als hätte sie aus den Säcken wimmernde Laute gehört.
Plötzlich konnte sie dieses Halbdunkel nicht mehr ertragen. Hastig drehte sich die Frau um und drückte mehrere Schalter für die Hallenbeleuchtung.
Die Lampen waren in die Holzdecke eingelassen worden, und aus ihnen sickerte das Licht in breiten Kegeln, um auf dem Boden helle Kreise zu hinterlassen.
Gunda Gumm fürchtete sich vor dem nächsten Morgen. Sie wußte, daß Männer wie dieser Fontain ihre ›Versprechen‹ einlösten, und sie überlegte schon jetzt, wie sie ihn am besten loswerden konnte. Jedenfalls würde sie für ihn und seine Freunde den Salat anrichten und ihn genau nach ihrem Geschmack zubereiten, denn sie verlangten ein bestimmtes Dressing aus Natursäften.
Mrs. Gumm verschwand in ihrer Küche, und Justus Fontain ging nicht zu seinem Zimmer, sondern in einen Raum, den er für sich und seine Freunde hergerichtet hatte.
Es war ein besonderer Raum. Hier wurde alles vorbereitet, und kein Hotelangestellter, die Besitzerin eingeschlossen, durfte ihn betreten. Das hatten sie bei ihrer Ankunft so vereinbart, und Mrs. Gumm hatte sich auch daran gehalten.
Der Raum lag am Ende eines Flurs, in dem kein Licht brannte. Justus brauchte es zudem nicht, er fand sich im Dunkel zurecht. Vor der entsprechenden Tür blieb er stehen. Den Schlüssel trug er bei sich und gab ihn nicht aus der Hand.
Fontain stellte den Sack
Weitere Kostenlose Bücher