Undines Rache
weichen. Sie war zu dem Entschluß gekommen, sich mit diesen Gästen dicke Läuse in den Pelz gesetzt zu haben. Bei der Anmeldung war sie noch froh gewesen, denn um diese Jahreszeit verirrte sich kaum jemand in diese einsame Gegend.
Auch Gunda kannte sich inzwischen aus, obwohl sie erst vier Jahre hier lebte und das Hotel zusammen mit ihrem Mann führte. Sie kannte die Geschichte, die sich die Einheimischen über den geheimnisvollen See erzählten, der in seiner Tiefe angeblich unendlich sein sollte und in ein nicht sichtbares Reich hineinführte. Sie kannte keinen, der einen Beweis dafür geboten hätte, doch ihre neuen Gäste interessierten sich sehr auffallend für das Gewässer.
Sehr oft hatten sie es besucht, und sie waren dann mit einer Beute zurückgekehrt, die sie in einem Sack versteckten. Gunda hatte zumeist an einen Fisch gedacht, aber sie hatte nie etwas auf den Tellern gesehen. Die Männer ernährten sich sowieso ungewöhnlich. Sie aßen Suppe und ihren Salat. Zweimal hatten sie sich zu einem frischen Kohlgemüse überreden lassen, davon aber mehr als die Hälfte stehengelassen.
Die Frau hatte sich natürlich Gedanken über die Gruppe gemacht, die im Haus kaum auffiel, weil sich jeder leise bewegte, als befände er sich im Zustand einer Meditation.
Sie vermutete, daß sie einer Sekte angehörten. Ja, das konnte durchaus zutreffen und wäre für die heutige Zeit zudem nicht ungewöhnlich gewesen, denn über Sekten wurde ja viel in den Medien berichtet. Sie fühlte sich zwar unwohl in der Nähe ihrer Gäste, doch es gab nur einen, der ihr eine richtige Furcht einjagte. Das war eben dieser Anführer, den sie als Justus Fontain kannte. Sie fühlte sich unter seinen bohrenden Blicken wie nackt. Irgendwie hatte sie auch recht damit, denn sein letztes Angebot hatte an Deutlichkeit nichts zu wünschen übriggelassen, und Gunda sah deshalb nicht eben hoffnungsvoll in die Zukunft.
Sie beschloß, sich am nächsten Tag so wenig wie möglich sehen zu lassen. Freiwillig würde sie diesem Fontain nicht über den Weg laufen, das stand fest.
Der Salat war gewaschen, geschnitten und mußte nur mehr auf die dreizehn Teller verteilt werden. Die Frau hatte sie schon auf einem entsprechend großen Tablett bereitgestellt. An der Schürze trocknete sie ihre Hände ab, schaute auf die Uhr und fand, daß es Zeit war, den Tisch zu decken.
Rasch hatte sie es hinter sich gebracht. Dabei blickte sie immer wieder auf diezweite Tür des Raumes, hinter der ein Zimmer lag, das sie nicht betreten durfte. Es hatte eigentlich leer gestanden, aber die Männer waren daran gegangen, es einzurichten. Gunda konnte sich daran erinnern, daß sie große Spiegel und auch einen Trog herangeschleppt hatten. Den Sinn verstand sie nicht.
Nachdem sie die Gedecke aufgelegt hatte, ging sie wieder zurück in die Küche. Die Männer wollten während des Essens auf keinen Fall gestört werden, so mußte sie die Beilage immer kurz vor dem Beginn des Essens servieren.
Sie stellte die Salatteller hin, und die Gänsehaut auf ihrem Rücken wollte einfach nicht weichen. Daß sie sich in ihrem eigenen Hotel wie eine Fremde fühlte, war ihr auch noch nicht vorgekommen. Sie hielt es in den Räumen nicht mehr aus, und sie würde, wenn die Männer beim Essen saßen, das Hotel verlassen, nach draußen gehen, frische Luft schnappen und einen Spaziergang machen.
Die Kühle des Märzabends würde sie bestimmt auf andere Gedanken bringen, dachte sie.
Leise schloß sie die Tür hinter sich zu. Sie legte die Schürze ab, hängte sie an einen Haken und blieb neben dem Schlachterbrett stehen, auf dem einige sehr scharfe Messer lagen.
Ihr Blick verweilte auf den glänzenden Klingen. Gunda überlegte, ob sie das eine oder andere Messer mit nach draußen nehmen sollte, was sie dann ließ, weil sie es doch ein wenig übertrieben fand, sich zu bewaffnen.
Die Männer waren stets pünktlich. Es würde noch fünf Minuten dauern, bis sie eintrafen. In der Zeit konnte Gunda das Hotel verlassen. Sie löschte das Licht, lief mit hastigen Schritten zur Rezeption, wo ihre gefütterte Jacke hing, die sie überstreifte. Nur so ließ sich die kühle Nacht ertragen.
Mit hastigen Schritten, beinahe schon wie ein Zechpreller, verließ sie das eigene Hotel. Als sie dann in den Abend hinaustrat, die herrliche Luft genoß, da hatte sie das Gefühl, alles hinter sich gelassen zu haben. Gunda Gumm tauchte in die Dunkelheit ein und konnte jetzt auch nicht mehr vom Hotelfenster aus gesehen
Weitere Kostenlose Bücher