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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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schließt er die Augen, und ich spüre einen Hauch von dem Gefühlsaufruhr, den er empfindet, wenn er an Kay denkt.
    Irgendetwas muss an diesem Mädchen sein, das ich nicht sehe. Da muss einfach irgendetwas sein.
    «Ich musste wählen», sagt er noch einmal. «Und es war nicht so, als müsste ich zwischen dir und Kay wählen; ich kannte dich damals ja kaum. Ich musste wählen, wer ich sein wollte. Aber jetzt … Clara, ich glaube …»
    «Ich muss gehen», sage ich und reiße mich abrupt von ihm los. «Ich kann nicht mehr klar denken. Ich kann keine Entscheidung treffen.»
    Zu meiner großen Überraschung lächelt er, dieses total süße, sündhaft schöne Lächeln, das in meiner Magengrube eine ganze Horde Schmetterlinge zum Flattern bringt.
    «Was?», will ich wissen. «Was ist denn jetzt schon wieder?»
    «Du wirst nicht gehen», antwortet er.
    «Na, dann sieh mal gut hin.»
    «Ich habe auch von diesem Ort eine Vision gehabt.» Das zwingt mich zum Stehenbleiben; ich lasse von meiner ungestümen, feigen Flucht Richtung Straße ab (wie kann er mich nur für mutig halten?). Ich drehe mich um. Er steht immer noch am Grab seiner Mutter, die Hände hat er in den Hosentaschen seiner Jeans, und sieht mich mit solch einer Glut im Blick an, dass mir ein Zittern vom Kopf bis in die Zehenspitzen geht.
    «Dann hast du also auch eine neue Vision?», frage ich.
    «Es betrifft genau diesen Ort hier.» Er kommt auf mich zu; mit langen, entschlossenen Schritten marschiert er durchs Gras. «Ganz genau diesen Ort hier. Seit Wochen sehe ich es schon, und es passiert jetzt.»
    Er bleibt direkt vor mir stehen.
    «Das ist der Moment, in dem ich dich küsse», sagt er.
    Und da, unter den sich wiegenden Kiefern, den zitternden Espen auf Aspen Hill, im schwindenden Sonnenlicht an diesem Tag im Spätfrühling, mit dem Vogelgezwitscher über unseren Köpfen, mit den Spuren der Tränen, die immer noch auf meinen Wangen trocknen, und dem schwachen Duft von Rosen in der Luft, küsst mich Christian Prescott zum ersten Mal. Er zieht mich ganz nah zu sich heran.
    Niemals – auch wenn ich die vollen einhundertundzwanzig Jahre eines Engelblutlebens überstehe – werde ich vergessen, wie er küsst. Beschreiben kann ich es nicht, es ist eben Christian, ein bisschen süß und sehr, sehr wohlschmeckend, und es fühlt sich, in dem Augenblick, vollkommen richtig an. Sein und mein Feuer verbinden sich, und das Resultat ist mächtiger als jeder Waldbrand, heißer als die heißeste Stelle einer Flamme. Was ich an Wänden zwischen uns versucht habe zu errichten, zerbröckelt. Sein Herz pocht gegen meine Handfläche. Er hat nicht gelogen gerade eben. Dies ist seine Vision, sein buchstäblich wahr gewordener Traum, und es ist ganz genauso, wie er es gefühlt hat. Ja mehr noch. Ich bin mehr, als er je zu hoffen wagte, mehr, als er sich je hätte erträumen können. Sein geheimnisvolles Mädchen. Das Mädchen, das zu finden seine Bestimmung war. Und nun gehöre ich zu ihm, wie er schon immer zu mir gehört hat.
    Dieser Gedanke bringt mich wieder zurück in die Wirklichkeit. Ich ziehe mich zurück, unterbreche den Kontakt zwischen uns mit schierer, heftig schmerzender Willenskraft.
    «Ich gehöre nicht dir», sage ich keuchend und schaue zu ihm auf, und dann renne ich los. Denn wenn ich auch nur eine weitere Sekunde bleibe, werde ich seinen Kuss erwidern. Ich werde mich für ihn entscheiden.
    Also reiße ich mich los, stürme über den Friedhof von Aspen Hill, als wäre der Teufel hinter mir her, und dann fliege ich, und es ist mir egal, ob mich jemand sieht, ich schieße wie eine Sternschnuppe über den Himmel zurück nach Hause.

[zur Inhaltsübersicht]
    Die Alternative zu mir
    Am nächsten Tag gehe ich nicht zur Schule, und niemand sagt etwas dazu, dass ich zu Hause bleibe.
    Nach der Schule ruft mich Angela an.
    «Es tut mir leid», ist das Erste, was sie sagt. «Es tut mir wirklich, wirklich richtig doll leid, okay? Es war so dumm, dass ich neidisch war. Aber das ist jetzt ein für alle Mal vorbei.»
    Sie denkt, dass ich ihretwegen die Schule geschwänzt habe.
    «Ist schon gut. Ich hätte deine Gedanken nicht lesen dürfen. Man bekommt eben, was man verdient, wenn man liest, was andere über einen denken.»
    «Trotzdem, das war nicht gerade cool von mir. So hätte ich nicht empfinden dürfen.»
    «Wir haben nicht immer unter Kontrolle, was wir fühlen», sage ich zu ihr. Mensch, dafür war der gestrige Tag wirklich das beste Beispiel. «Und was soll’s,

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