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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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Mama.»
    «Süße», sagt Mama. «Nur weil er nicht da ist, heißt das nicht …»
    «Alles andere ergibt keinen Sinn», erwidere ich. «Wäre irgendein anderer gestorben, wäre Tucker da. Er wäre bei mir. Nichts könnte ihn fernhalten. So ist er. Er wäre da.»
    Tief aus ihrer Kehle löst sich ein Laut, und dann kommt sie auf mich zu. Ich erlaube ihr, mich zu umarmen, atme ihr Parfüm ein, will den Trost ihrer Wärme, ihrer unerschütterlichen, beständigen Gegenwart spüren, aber ich spüre nichts. In diesem Moment kommt sie mir gar nicht warm vor, auch nicht unerschütterlich oder beständig.
    «Ich lasse das nicht zu», flüstere ich und ziehe mich zurück. «Ich muss bloß wissen, wie ich es aufhalten kann, aber ich weiß ja nicht, wie es passieren wird, also weiß ich auch nicht, was ich tun muss. Tucker wird sterben!»
    «Ja, das wird er», sagt sie nüchtern. «Er ist ein Sterblicher, Clara. Er wird sterben. Jede Minute sterben weit über hundert Menschen auf dieser Erde, und eines Tages wird er einer von ihnen sein.»
    «Aber es ist Tucker, Mama.»
    Gleich kommen mir wieder die Tränen.
    «Du liebst ihn wirklich», meint sie.
    «Ja, ich liebe ihn wirklich.»
    «Und er liebt dich.»
    «Ja, er liebt mich wirklich. Ich weiß es. Ich spüre es.»
    Sie nimmt meine Hand. «Dann wird nichts euch je trennen können, nicht einmal der Tod. Ihr seid durch die Liebe miteinander verbunden», sagt sie. «Clara … ich muss dir was sagen …»
    Aber sie darf mich nicht überreden, Tuckers Tod ruhig und gelassen hinzunehmen. Also sage ich: «Du und Dad, euch hat die Liebe aber nicht gerade miteinander verbunden, oder?»
    Sie seufzt.
    Es tut mir leid, dass ich das so gesagt habe. Ich überlege, wie ich ihr klarmachen kann, was ich meine. «Manchmal werden Menschen eben getrennt, Mama. Für immer und ewig. Aber das soll mir und Tucker nicht passieren.»
    «Du dickköpfiges, dickköpfiges Mädchen», sagt sie leise. Sie steht auf und geht zur Tür. Bleibt stehen. Dreht sich wieder zu mir um. «Hast du es ihm gesagt?»
    «Was?»
    «Das von dem Traum und wie du ihn deutest», sagt sie. «Denn letztlich weißt du gar nicht, was er wirklich zu bedeuten hat, Clara. Es ist nicht fair, ihn damit zu belasten, solange du es nicht sicher weißt. Denn zu wissen, dass man sterben wird, kann furchtbar sein.»
    «Ich dachte, wir werden alle sterben. Das hast du doch gesagt.»
    «Ja. Früher oder später», meint sie.
    «Nein», gestehe ich. «Ich habe es ihm nicht gesagt.»
    «Gut. Dann belasse es auch dabei.» Sie versucht zu lächeln, aber es gelingt ihr nicht ganz. «Viel Spaß in der Schule. Aber sei zum Abendessen zu Hause. Wir haben noch mehr zu besprechen. Ich habe noch etwas zu sagen.»
    «Na schön.»
    Als sie gegangen ist, werfe ich mich aufs Bett; auf einmal bin ich völlig erschöpft.
    Früher oder später, hat sie gesagt. Und ich nehme an, sie sollte es wissen. So alt, wie sie ist, sind die meisten Leute, die sie gekannt hat, schon gestorben. Zum Beispiel beim Erdbeben in San Francisco von 1906. Vor ein paar Monaten hat sie aus der Zeitung einen Artikel ausgeschnitten, in dem vom Tod des letzten Überlebenden dieser Katastrophe berichtet wurde. Was nun wohl sie zum tatsächlich letzten Überlebenden des Erdbebens macht.
    Sie hat recht. Früher oder später wird Tucker sterben müssen.
    Später, denke ich. Ich muss dafür sorgen, dass es später passiert.

    Gegen Mittag fängt mich Angela bei der Cafeteria ab.
    «Engelclub», flüstert sie. «Gleich nach der Schule, sei pünktlich.»
    «Muss das sein?» Ich bin nicht in der Stimmung für Angelas endloses Frage-und-Antwort-Spiel, für ihre wilden Theorien. Ich bin müde. «Ich hab auch noch was anderes zu tun, weißt du.»
    «Es gibt etwas Neues.»
    «Wie neu? Wir haben doch gerade erst das Wochenende zusammen verbracht.»
    «Es ist wichtig, okay!», kreischt sie, was mich total erschreckt. Angela ist keine Kreischerin. Ich mustere sie eingehender. Sie wirkt ausgelaugt, ihre Augen sind umschattet und verquollen, sie ist am Boden zerstört.
    «Na gut, ich komme», stimme ich schnell zu. «Ich kann allerdings nicht lange bleiben, aber ich komme bestimmt, okay?»
    Sie nickt. «Gleich nach der Schule», sagt sie wieder, dann geht sie rasch weg.
    «Was ist denn los mit ihr?» Auf einmal steht Christian neben mir, und gemeinsam starren wir ihr hinterher. «Ich hab ihr gesagt, dass ich ein Treffen mit dem Ski-Team hab, und da hat sie mir fast den Kopf abgerissen.»
    Ich zucke mit

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