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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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er ihr drohen. «Wie sollte das denn möglich sein? Sie ist total gesund.»
    «Okay», sage ich langsam. «Beruhigen wir uns doch mal alle. Wir werden also hundertzwanzig Jahre alt. Das ist doch wohl nicht so ein Riesenproblem, oder?»
    «Clara», flüstert Christian, und ich spüre bei ihm etwas wie Mitleid, und da trifft mich die Erkenntnis mit voller Wucht.
    Ich bin so blöd! Wie konnte ich nur so blöd sein? Da sitze ich hier und denke: Toll, wir werden hundertzwanzig, ist doch super, denn wenigstens bleiben wir dabei jung und stark. Wie Mama. Mama, die keinen Tag älter als vierzig aussieht. Mama, die 1890 geboren ist. Margaret und Meg und Marge und Margot und Megan und diese ganzen Fremden, diese ganzen vergangenen Leben, die sie erleben konnte. Und Maggie, meine Mutter, die vor ein paar Wochen hundertzwanzig geworden ist.
    Mir ist schwindelig.
    Jeffrey schlägt gegen die Wand. Seine Faust bricht geradewegs hindurch, als wäre die Wand aus Pappe; überall liegen Gipsstückchen verstreut, sein Schlag war so hart, dass das ganze Gebäude zu zittern scheint.
    Mama.
    «Ich muss los», sage ich und stehe so schnell auf, dass ich meinen Stuhl umwerfe. Ich nehme nicht mal meinen Rucksack mit. Ich renne einfach nur zum Ausgang.
    «Clara!», ruft Angela mir hinterher. «Jeffrey … wartet!»
    «Lass sie gehen», höre ich Christian sagen, als ich an der Tür bin. «Sie müssen nach Hause.»

    An die Autofahrt zurück nach Hause erinnere ich mich nicht mehr. Ich bin einfach da, sitze plötzlich im geparkten Wagen in der Auffahrt, die Hände so fest ums Lenkrad gekrampft, dass meine Knöchel ganz weiß sind. Im Rückspiegel sehe ich, dass Jeffreys Truck hinter mir steht. Und jetzt, da ich hier bin, jetzt, nachdem ich vermutlich gegen ein Dutzend Verkehrsregeln verstoßen habe, um so schnell wie möglich herzukommen, sagt irgendwas in mir, dass ich am liebsten wieder wegfahren würde. Ich will nicht rein. Aber ich muss. Ich muss die Wahrheit wissen.
    Angela hat sich auch früher schon mal getäuscht, denke ich, auch wenn ich mich im Moment nicht erinnere, bei welcher Gelegenheit. Sie hat sich getäuscht. Sie redet oft einen Riesenscheiß.
    Aber sie täuscht sich nicht.
    Es ist nicht Tuckers Beerdigung in meinem Traum vom Friedhof in Aspen Hill. Es ist Mamas Beerdigung.
    Ich fühle mich wie gerade in Disneyland aus dem Karussell gestiegen, mein ganzer Körper total schwindelig, mir dreht sich der Kopf. Meine Gefühle sind ein einziges verworrenes Durcheinander aus Erleichterung wegen Tucker, gemischt mit Schock und irrem Schmerz, mit Schuld und einem völlig neuen Ausmaß von Kummer und Verstörung. Am liebsten würde ich mich übergeben. Am liebsten würde ich in Ohnmacht fallen. Am liebsten würde ich weinen.
    Ich steige aus dem Auto und gehe langsam die Treppe zum Haus hinauf. Jeffrey stolpert hinter mir her, als ich die Tür aufmache, dann gehen wir durch den Flur, am Wohnzimmer und an der Küche vorbei direkt zu Mamas Arbeitszimmer. Die Tür geht einen Spaltbreit auf, und ich sehe sie etwas am Computer lesen, ihr Gesicht spiegelt die Konzentration, mit der sie auf den Bildschirm schaut.
    Eine seltsame Ruhe kommt über mich. Ich klopfe an, ein sachtes Pochen mit den Fingerknöcheln auf Holz. Sie dreht sich um und schaut auf.
    «Hallo, Süße», sagt sie. «Schön, dass du zu Hause bist. Wir müssen reden, weißt du …»
    «Wesen mit Engelblut werden nur hundertzwanzig Jahre alt?», platzt es aus mir heraus.
    Ihr Lächeln verblasst. Sie sieht erst mich und dann Jeffrey an, der hinter mir steht. Dann dreht sie sich wieder zu ihrem Computer um und fährt ihn runter.
    «Angela?», fragt sie.
    «Ist doch egal, woher wir das wissen, oder?», sage ich, und meine Stimme klingt harsch in meinen Ohren, schrill. «Stimmt es?»
    «Kommt rein», sagt sie. «Setzt euch.»
    Ich setze mich in einen ihrer bequemen Ledersessel. Sie dreht sich zu Jeffrey um, der, die Arme vor seiner breiten Brust verschränkt, stur an der Tür stehen bleibt.
    «Du stirbst also bald», sagt er mit monotoner Stimme.
    «Ja.»
    Sein Gesicht wird ganz schlaff vor lauter Verzweiflung, seine Arme hängen an den Seiten herunter. Ich glaube, er hat erwartet, sie würde es leugnen. «Was denn, du wirst sterben, bloß weil Gott beschlossen hat, dass wir nicht zu lange leben?»
    «Es ist ein bisschen komplizierter», sagt sie. «Aber das ist es im Wesentlichen.»
    «Aber das ist unfair. Du bist doch noch so jung.»
    «Jeffrey», sagt Mama. «Bitte, setz

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