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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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niedergedrückt hat.
    Christian starrt uns an. Er ist Einzelkind und weiß die köstlichen Freuden geschwisterlicher Rangelei nicht zu schätzen. Ich gebe Jeffrey noch einen letzten Schubser und setze mich wieder an den Tisch. Jeffrey lässt sich auf den Stuhl mir gegenüber plumpsen.
    Angela kommt von hinten. Setzt sich, ohne ein Wort zu sagen. Schlägt ihr Notizbuch auf.
    «Also. Der Notfall», sage ich.
    Sie holt tief Luft. «Ich hab mich mal mit der Lebensspanne von Engelblutwesen beschäftigt», sagt sie.
    «Hat das irgendwas damit zu tun, dass du Mr Phibbs nach seinem Alter gefragt hast?», erkundige ich mich.
    «Ja. Nach dem, was ich auf der Kongregation gesehen habe, bin ich einfach neugierig geworden. Mr Phibbs ist ein Quartarius, da bin ich mir ziemlich sicher, aber er sieht sehr viel älter aus als deine Mutter, und die ist ein Dimidius. Du verstehst also, weshalb ich so verwirrt bin.»
    Ich verstehe es nicht.
    «Entweder ist Mr Phibbs sehr viel älter als deine Mutter», fährt sie mit ihren Erklärungen fort, «oder deine Mutter altert in einem anderen Tempo als Mr Phibbs. Also hab ich so überlegt: Was, wenn ein Quartarius, der ja ein Viertelengel ist – zu fünfundsiebzig Prozent menschlich –, auch zu fünfundsiebzig Prozent in der gleichen Geschwindigkeit altert wie ein Mensch? Die wenigsten Menschen werden älter als hundert, also könnte ein Quartarius-Engelblut etwa hundertfünfundzwanzig werden. Das würde erklären, wieso Mr Phibbs alt aussieht.»
    Sie hält inne. Trommelt mit ihrem Kugelschreiber gegen ihr Notizbuch. Sieht besorgt aus.
    «Weiter», verlange ich.
    Noch einmal tiefes Atemholen. Sie sieht mich nicht an, was mir allmählich richtig unheimlich ist. «Ich hab mir gedacht, ein Dimidius, der nur zur Hälfte menschlich ist, lebt womöglich doppelt so lang, wird also so etwa zwischen zweihundert und zweihundertundfünfzig Jahre alt. Deine Mutter wäre damit ein Engelblut mittleren Alters. Sie würde so etwa wie vierzig aussehen. Was ja auch stimmt.»
    «Klingt, als hättest du das alles richtig gründlich berechnet», sagt Christian.
    Sie schluckt. «Das dachte ich auch», sagt sie mit ungewöhnlich tonloser Stimme. «Aber dann hab ich das hier gelesen.»
    Sie blättert ein paar Seiten in ihrem Notizbuch weiter, dann fängt sie an vorzulesen: « Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Gottessöhne – gemeint sind die Engel; jedenfalls wird es weitgehend so interpretiert –, wie schön die Töchter der Menschen waren, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten. »
    Ich kenne diese Passage. Sie steht in der Bibel. Erstes Buch Mose, Kapitel 6. Auftritt der Nephilim: Engelblutwesen.
    Doch dann liest Angela noch weiter: « Da sprach der Herr: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn auch der Mensch ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertundzwanzig Jahre. Dann geht es zurück zu den Nephilim, und es wird erzählt, wie die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und Kinder mit ihnen hatten, und dann kommt das mit den ‹Helden der Vorzeit› und so, und mir ist aufgefallen, dass irgendwas hier merkwürdig ist. Erst ist die Rede von den Nephilim, dann gibt Gott der Lebensspanne von Menschen ein genaues Ende vor, dann geht es wieder zurück zu den Nephilim. Aber dann hab ich es begriffen. Es geht gar nicht um die Lebensspanne des Menschen. Dieses Stück in der Mitte handelt nicht von den Menschen. Es geht um uns. Gott will, dass wir sterblich sind.»
    «Gott will, dass wir sterblich sind», wiederhole ich, ohne zu verstehen.
    «Es spielt gar keine Rolle, ob manche von uns mehrere hundert Jahre leben können oder nicht. Wir werden nämlich nicht älter als hundertzwanzig», behauptet Angela. «Ich hab gestern Nacht darüber recherchiert, und ich finde keinen einzigen Beleg dafür, dass je ein Engelblut, ob nun Dimidius oder Quartarius, älter geworden wäre. Jeder Einzelne, über den ich Aufzeichnungen gefunden habe, stirbt entweder vor dem oder im hundertundzwanzigsten Lebensjahr, aber kein Einziger wird je hunderteinundzwanzig.»
    Plötzlich löst sich tief aus Jeffreys Kehle ein erstickter Laut. Er springt auf. «Du erzählst einen Riesenscheiß, Angela.» Sein Gesicht verzerrt sich zu einem Ausdruck, den ich noch nie an ihm gesehen habe, wild und verzweifelt, voller Wut. Das macht mir Angst.
    «Jeffrey …», setzt Angela an.
    «Das ist nicht wahr», sagt er, fast als wolle

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