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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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Christian zieht den Reißverschluss seiner Jacke ein Stück auf, holt eine schwarze Strickmütze hervor und setzt sie auf. Er vergräbt die Hände in den Taschen. Und er wartet.
    Ich habe das Bedürfnis, ihm etwas zuzurufen. Vor meinem inneren Auge sehe ich es vor mir. Ich mache das Fenster auf und rufe seinen Namen in die eisige Luft. Ich steige zu ihm hinaus. Er dreht sich um. Er will etwas sagen, aber ich halte ihn davon ab. Ich nehme seine Hand und führe ihn durchs Fenster in mein Zimmer, und dann nimmt er mich in die Arme. Es wäre wie in meinem Traum. Er würde dafür sorgen, dass ich mich besser fühle. Ich könnte mich an ihn lehnen. Es wäre so einfach, glaube ich, wie seinen Namen zu rufen.
    Sein Rücken versteift sich. Hört er die Gedanken, die durch mein Hirn rattern?
    Ich trete vom Fenster zurück.
    Ich sage mir, dass ich mich gar nicht besser fühlen will. Es sollte jetzt kein Glück und keinen Trost für mich geben. Ich will am Boden zerstört sein. Also drehe ich mich weg von Christian und gehe ins Bad, um mir den Schlafanzug anzuziehen. Ich ignoriere Christians Anwesenheit, als ich aus dem Bad komme und er immer noch da ist. Er muss total durchgefroren sein da draußen, aber den Gedanken verbanne ich aus meinem Kopf. Ich lege mich aufs Bett, mit dem Rücken zum Fenster, und endlich kommen die Tränen, strömen mir übers Gesicht, in die Ohren, auf mein Kissen. Lange liege ich so da, mehrere Stunden vielleicht, und genau in dem Moment, als ich endlich in den Schlaf hinübergleite, meine ich, das Schlagen von Christians Flügeln zu hören, als er wegfliegt.

[zur Inhaltsübersicht]
    Alles ist ungewiss
    Ich klappe mein Physikbuch zu. Schon zum dritten Mal an diesem Vormittag habe ich versucht, ein und dieselbe Aufgabe zu den Heisenberg’schen Prinzipien der Quantentheorie zu lösen. Tja, die guten Noten kann ich jetzt wohl vergessen, denke ich. Aber wen interessieren schon gute Noten? Wenigstens habe ich meine College-Bewerbungen rausgeschickt, und ich habe sogar Angela nachgegeben und mich für Stanford beworben, obwohl ich das immer noch für einigermaßen aussichtslos halte, egal, was meine Mutter sagt.
    Und überhaupt, vielleicht sollte ich gar nicht aufs College gehen. Ich meine, zu der Zeit, wenn Mama stirbt, wird Jeffrey sechzehn, und auch wenn er sich mit Billy als gesetzlichem Vormund einverstanden erklärt hat, wird er mich trotzdem hier brauchen, oder? Eine andere Familie als mich hat er nicht.
    Ich lege mich wieder aufs Bett und mache die Augen zu. Inzwischen gehen die Tage unterschiedslos ineinander über. Es ist einige Wochen her, dass Mama die Nachricht von ihrem baldigen Tod bestätigt hat. Ich gehe zur Schule, als wäre alles wie immer. Ich komme nach Hause. Ich mache meine Hausaufgaben. Ich dusche, und ich putze mir die Zähne, und ich mache einfach weiter. Wir hatten ein paar Treffen des Engelclubs, aber das scheint jetzt alles nicht so wichtig. Jeffrey kommt überhaupt nicht mehr hin. Inzwischen übe ich nicht mehr so häufig, den himmlischen Glanz hervorzubringen, denn ich weiß ja jetzt, dass ich eh nicht sonderlich viel ausrichten kann. Ich kann meine Mutter nicht retten. Ich kann mich nur wie ein Zombie durch das schleppen, was den Anschein eines Lebens hat. Tucker und ich sind zusammen mit Wendy und Jason ein paar Mal ausgegangen, und ich gebe mir Mühe, so zu tun, als wäre alles in Ordnung, alles normal. Aber es ist, als hätte jemand in meinem Leben die Pausetaste gedrückt.
    Meine Mutter stirbt. Es fällt mir schwer, an irgendetwas anderes zu denken. Im Grunde will ich es immer noch nicht glauben.
    Irgendwas prallt gegen mein Fenster. Erschrocken öffne ich die Augen. Ein Klumpen Schnee gleitet die Scheibe hinunter. Ich brauche einen Moment, um zu verstehen: Jemand hat einen Schneeball gegen mein Fenster geworfen.
    Ich gehe hinüber und mache das Fenster auf, als gerade ein zweiter Schneeball durch die Luft geflogen kommt. Im letzten Moment bücke ich mich, um nicht am Kopf getroffen zu werden.
    «He!», brülle ich.
    «’tschuldigung.» Es ist Christian, er steht unten im Hof. «Ich habe nicht auf dich gezielt.»
    «Was machst du da?», frage ich.
    «Ich will deine Aufmerksamkeit.»
    Ich schaue an ihm vorbei auf den Eingang zum Haus, wo sein glänzender schwarzer Truck auf der Auffahrt geparkt steht. «Was willst du?»
    «Ich will dich aus dem Haus locken.»
    «Wieso?»
    «Die ganze Woche vergräbst du dich schon und brütest», sagt er und blinzelt zu mir hoch. «Du

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