Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
Vom Netzwerk:
dich.»
    Er setzt sich neben mich, und jetzt kann sie sich an uns beide wenden. Ich mustere ihr Gesicht, als sie versucht, ihre Gedanken zu sammeln.
    «Wie wird es passieren?», will ich wissen.
    «Ich weiß es nicht genau. Es ist bei uns allen verschieden. Aber ich bin seit letztem Winter nach und nach schwächer geworden. Deutlich schwächer in den letzten Wochen.»
    Ihre ständigen Kopfschmerzen. Die Erschöpfung, die sie auf Probleme mit der Arbeit zurückführt. Ihre kalten Hände und Füße, die Tatsache, dass ihre übliche Wärme sie zu verlassen scheint. Die neuen Falten. Die Schatten unter ihren Augen. Wie sie sich neuerdings immer hinsetzt, immer ausruhen muss. Ich fasse es nicht, dass ich nicht schon längst draufgekommen bin.
    «Du wirst also schwächer», sage ich. «Und was dann. Löst du dich einfach auf?»
    «Mein Geist wird diesen Körper verlassen.»
    «Wann?», fragt Jeffrey.
    Sie sieht uns mit diesem traurigen, grüblerischen Blick an, den ich inzwischen so gut kenne. «Ich weiß nicht.»
    «Im Frühjahr», sage ich, denn das ist etwas, was ich weiß. Mein Traum hat es mir gezeigt.
    Etwas Heißes, Schweres legt sich auf meine Brust, so mächtig, dass es in meinen Ohren dröhnt, mir die Luft aus den Lungen presst. Keuchend ringe ich nach Atem. «Wann hattest du vor, es uns zu sagen?»
    In ihren mitternachtsblauen Augen steht Mitgefühl, was ich als Ironie empfinde, denn schließlich ist sie ja diejenige, die stirbt. «Du musst dich auf deine Aufgabe konzentrieren, nicht auf mich.» Sie schüttelt den Kopf. «Und ich nehme an, ich war wohl auch selbstsüchtig. Ich will noch nicht sterben. Heute wollte ich es dir erzählen», sagt sie unter einem weiteren matten Seufzer. «Heute Morgen hab ich versucht, es dir zu sagen …»
    «Aber es muss doch irgendwas geben, das wir tun können», unterbricht Jeffrey. «Es gibt irgendeine höhere Macht, an die wir uns wenden können, ja?»
    «Nein, Schatz», antwortet sie sanft.
    «Wir können beten oder so», beharrt er.
    «Wir alle sterben, auch wir trotz unseres Engelbluts.» Sie steht auf, kniet sich vor Jeffreys Sessel und legt die Hände auf seine Hände. «Und jetzt bin ich an der Reihe.»
    «Aber wir brauchen dich», würgt er hervor. «Was wird denn aus uns?»
    «Darüber habe ich lange nachgedacht», sagt sie. «Ich denke, am besten ist, wenn ihr erst mal hier bleibt und die Schule fertig macht. Für die Zeit danach habe ich Billy zu eurem Vormund ernannt. Sie ist einverstanden, sie will euch zu sich nehmen. Wenn es euch recht ist.»
    «Und nicht Dad?», fragt Jeffrey mit zittriger Stimme. «Weiß Dad überhaupt Bescheid?»
    «Euer Vater … er ist nicht … Er hat einfach nicht die Möglichkeiten, sich um euch zu kümmern.»
    «Du meinst, er hat nicht die Zeit», füge ich steif hinzu.
    «Du darfst nicht sterben, Mama», sagt Jeffrey. «Das darfst du einfach nicht.»
    Sie umarmt ihn. Den Bruchteil einer Sekunde wehrt er sich, will sich zurückziehen, aber dann gibt er nach, seine Schultern zittern, während sie ihn hält, ein verzweifelter, rauer Schluchzer steigt aus seiner Brust. Wie ein verwundetes Tier hört sich mein Bruder an, und der Schmerz droht mich zu zerreißen. Aber ich weine nicht. Ich will wütend auf sie sein, ihr vorwerfen, mich mein ganzes Leben lang von vorn bis hinten angelogen zu haben, herausschreien, dass sie uns im Stich lässt, vielleicht selbst auch ein Loch in die Wand schlagen, aber all das tue ich nicht. Ich muss daran denken, was sie mir heute Morgen erzählt hat, über den Tod. Ich dachte, sie hätte über Tucker und mich gesprochen, aber jetzt weiß ich, dass sie sich selbst und mich meinte.
    Schließlich gleite ich von meinem Sessel und rutsche auf den Knien zu Jeffrey hinüber. Mama zieht sich von Jeffrey zurück und sieht mich an, in ihren Augen schimmern Tränen. Sie schließt auch mich in die Umarmung ein, und ich kuschele mich an sie. Eine Mischung aus ihrem Rosenparfüm mit Vanilleduft und Jeffreys Eau de Cologne umgibt mich. Ich fühle nichts – es kommt mir vor, als schwebte ich außerhalb meines Körpers. Luft bekomme ich immer noch nicht.
    «Ich liebe euch beide so sehr», sagt sie in meinem Haar. «Ihr habt mein Leben zu etwas ganz Außergewöhnlichem gemacht, ihr ahnt gar nicht, wie sehr.»
    Jeffrey schluchzt. Der coole Macho Jeffrey weint, als wollte ihm das Herz brechen.
    «Wir werden das gemeinsam durchstehen», sagt Mama wild entschlossen, löst sich aus der Umarmung und sieht uns in die Augen. «Wir

Weitere Kostenlose Bücher