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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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bedeuten könnte, macht Mr Phibbs eine wedelnde Bewegung mit dem Arm und feuert das Ding direkt auf Samjeeza.
    Wie in Zeitlupe sehe ich den Pfeil in hohem Bogen durch die Luft schwirren, einer Sternschnuppe gleich, und dann, wie sie den Engel an der Schulter trifft. Das Geschoss macht ein Geräusch wie ein Messer, das tief in eine Wassermelone schneidet. Verblüfft schaut Samjeeza auf den Pfeil, dann wieder ungläubig zurück zu Mr Phibbs. Wie Blut sickert das Licht des Pfeils aus seiner Schulter, und welche Körperstelle es auch berührt, es zischt und frisst die zweite Schicht weg, die der Engel über seinem wahren Selbst trägt. Er greift nach oben und umfasst mit der einen Hand den Schaft. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen, dann reißt er sich den Pfeil aus der Wunde. Als das Geschoss herauskommt, heult der Engel auf vor Schmerz. Er lässt den Pfeil fallen, und er zerbirst in winzige Funken, als er auf dem Boden auftrifft. Samjeeza keucht und sieht mir direkt in die Augen, sieht nicht Mr Phibbs oder Tucker an, sondern mich, und in seinen Augen liegt tiefe Traurigkeit. Sein Körper hat auf einmal etwas Transparentes, etwas Gedämpftes und Graues, das seine Haut überzieht, als werde er zu einem Gespenst.
    Und dann ist er verschwunden.
    Mr Phibbs neben mir atmet langsam aus, das einzige Anzeichen dafür, dass all das hier auf wahnsinnige Weise zum Fürchten war. Endlich lasse ich den Glanz los, und er verblasst.
    «Tja, jetzt wissen wir auch, wieso er wütend auf mich ist, nicht wahr?», sagt Mr Phibbs fröhlich.
    «Wie haben Sie das gemacht?», frage ich atemlos. «Das war ja so cool.»
    «David und Goliath, meine Liebe», antwortet er. «Man braucht nicht mehr als einen kleinen glatten Kieselstein, um einen Riesen zu Fall zu bringen. Obwohl, um ganz ehrlich zu sein … ich habe eigentlich auf sein Herz gezielt. Ein zielsicherer Schütze bin ich noch nie gewesen.»
    Tucker macht ein paar stolpernde Schritte ins Gebüsch am Straßenrand und übergibt sich. Mr Phibbs rümpft die Nase, als wir hören, wie Tucker sein Abendessen rückwärts isst.
    «Ich fürchte, Menschen und himmlischer Glanz passen nicht gut zusammen», sagt Mr Phibbs.
    «Alles okay mit dir?», rufe ich in Tuckers Richtung.
    Er richtet sich auf, kommt wieder auf die Straße zurück und wischt sich mit dem Ärmel seiner Smokingjacke über den Mund.
    «Wird er wiederkommen?», fragt er.
    Ich sehe Mr Phibbs an; er seufzt.
    «Ich denke schon.»
    «Aber Sie haben ihn verwundet», sage ich, und meine Stimme klingt verzerrt. «Dauert es denn bei Schwarzflügeln nicht eine Zeitlang, bis so etwas wieder heilt? Ich meine, vor ein paar Monaten hab ich ihm das Ohr abgerissen, und das war immer noch nicht ganz wieder in Ordnung.»
    Mr Phibbs schaut grimmig drein und nickt. «Ich hätte besser aufs Herz zielen sollen.»
    «Hätte ihn das umgebracht?»
    «Lieber Himmel, nein. Einen Engel kann man nicht umbringen», sagt er.
    «Seht mal.» Tucker deutet in die Ferne, wo wir ein Polizeiauto sehen, gefolgt von einem Krankenwagen und einem Feuerwehrauto, und alle drei brettern über die Landstraße auf uns zu.
    «Hat ja auch lange genug gedauert», sage ich.
    Mr Phibbs kniet sich hin und untersucht Wendy, wobei er mit den Fingern leicht an ihren Hals fasst. Ihre Augenlider flattern, aber sie wacht nicht auf. Sie stöhnt. Ein wunderbares Geräusch.
    «Kommt sie wieder in Ordnung?», fragt Tucker; sein Gesicht ist immer noch ein bisschen grün.
    «O ja, bald ist sie wieder putzmunter, denke ich», erwidert Mr Phibbs.
    Dann schweigen wir alle, während die Sirene auf uns zu rast, und die Tonhöhe ändert sich, je näher das Auto kommt, bis wir eintauchen in die rotblauen aufflackernden Lichter der ahnungslosen Leute, die zu unserer Rettung eintreffen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Sing ein Lied der Trauer
    Es ist beinahe Morgen, als ich durch die Vordertür ins Haus komme, immer noch in meinem fleckigen, zerknautschten Abschlussballkleid, allerdings ohne Schuhe. Jeffrey und Mama warten im Wohnzimmer. Mama gibt einen erstickten Schrei von sich, als sie mich sieht, springt so schnell auf, dass Billy sich schon Sorgen macht, und fällt mir praktisch in die Arme, um mich ganz fest zu drücken.
    «Es tut mir ja so leid», sagt sie in mein Haar hinein. «Alles in Ordnung mit dir?»
    Blöde Frage.
    «Mama …», sage ich verlegen und halte sie. «Alles okay.»
    Mr Phibbs hinter mir räuspert sich. Er ist die ganze Zeit in der Notaufnahme bei mir geblieben, auch

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