Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)
klar, dass er nicht weiß, wie man ein Handy benutzt.
«Ich mache das», sage ich zu ihm. «Du kannst mir dabei zusehen. Ich wähle nur die 911, den Notruf. Sollte ich irgendwas anderes machen, kannst du mich zerschmettern oder was immer du sonst in solchen Fällen tust.»
Er lächelt. «Aber wenn ich dich zerschmettere, bekomme ich nicht das, weshalb ich hier bin, stimmt’s? Wie wäre das: Du rufst an, und wenn du irgendwas Komisches versuchst, zerschmettere ich ihn.»
Er legt den Kopf schief, um auf Tucker zu deuten. Eine kalte Welle der Angst spült über mich hinweg. «Okay», flüstere ich.
«Dann mach schnell», sagt er.
Er reicht mir das Handy. Ich wähle, halte es mir mit zitternder Hand ans Ohr.
«911, was für ein Notfall liegt vor?», meldet sich eine Frau.
«Es gab …», ich räuspere mich und setze noch einmal an. «Ein Autounfall auf der Coltman Road. Bitte schicken Sie einen Krankenwagen.»
Sie fragt nach meinem Namen. Den kann ich ihr nicht sagen, denn wenn die Ambulanz kommt, erwarten mich die Sanitäter hier, und ich werde nicht mehr hier sein. Aber vielleicht spielt das auch gar keine Rolle. Vielleicht bin ich dann nämlich zu tot, um mir darüber noch Sorgen zu machen. «Ich, äh … ich …», stottere ich.
Samjeeza streckt die Hand aus. Ich habe getan, was ich gesagt hatte. Ich habe angerufen. Ich gebe ihm das Handy zurück. Die Frau am anderen Ende der Leitung redet immer noch, stellt Fragen, will etwas über das Ausmaß der Verletzungen wissen.
«Hallo», sagt Samjeeza, und seine Stimme ist ernst, aber da liegt noch etwas anderes in seinem Blick.
«Hallo?», höre ich schwach die Frau sagen. «Wer spricht da?»
«Ich bin gerade am Unfallort angekommen. Furchtbar, wirklich furchtbar. Ich fürchte, das junge Mädchen hat inzwischen das Bewusstsein verloren. Ein junger Mann ist auch dabei. Sie sehen aus wie für einen Ball gekleidet. Bitte beeilen Sie sich. Sie sind beide schwer verletzt.»
Er klappt das Handy zu.
Beide schwer verletzt.
«Aber meine Mutter …»
«Sie kommt nicht», sagt er, und seine Augen blicken wissend. Er klingt ehrlich enttäuscht. «Da muss ich mich eben mit dir zufriedengeben.»
Er dreht sich zu Tucker um.
Ich sehe Tucker an, in seinen stürmischen blauen Augen sehe ich, dass er begreift, was Samjeeza vorhat. Dass er es akzeptiert. Sich dagegen wappnet.
Die Zeit kommt knirschend zum Stillstand.
Ich muss den himmlischen Glanz hervorbringen. Dies ist der eine Moment, für den ich das ganze Jahr geübt habe. Also jetzt.
Ich sehe Tucker an, aber ich spüre nichts, nur mein pochendes Herz, das so langsam schlägt, und ich fühle das Blut, das von meinem Herzen durch meinen Körper gepumpt wird, zu den Lungen, hinein und hinaus, und mich mit Kraft erfüllt, mit Leben, und dann spüre ich mich selbst, und da ist etwas mehr als nur mein Körper. Etwas anderes als das rein Menschliche. Mein Geist. Meine Seele.
Licht explodiert um mich herum. Ich drehe mich zu Samjeeza um, und im selben Moment, ums Zwanzigfache verlangsamt, wie mir scheint, sieht er mir in die Augen und weiß, was ich vorhabe. Er funkelt vor Wut, aber er hat keine Zeit zu reagieren. Stattdessen bewegt er sich mit überirdischer Geschwindigkeit, weg aus dem Umkreis des Glanzes.
Ich hole tief Luft, atme langsam aus, spüre das Licht in meinen Fingerspitzen kitzeln, aus meinem Körper herausleuchten, spüre das Auflodern meines Haars, spüre, wie sich mein Brustkorb mit Wärme füllt. Ein Gefühl der Ruhe senkt sich über mich. Wieder drehe ich mich zu Tucker um. Er hebt eine Hand, um die Augen vor meinem Licht zu schützen. Ich ergreife seine andere Hand. Sie fühlt sich kühl an, klamm, an meiner fast fiebrigen Haut. Bei meiner Berührung zuckt er zurück, dann zwingt er sich, ruhig zu werden, lässt die Hand sinken, blinzelt mich an, als ob er sich richtig viel Mühe gibt, in die Sonne zu schauen. In seinen Augen blitzen nichtvergossene Tränen. Und Angst.
Ich hebe die Hand und berühre den Schnitt an seinem Kopf, sehe zu, wie das Licht ihn streichelt und sich die Haut wieder schließt, bis keine Spur mehr von der Wunde zu sehen ist.
«Alles ist gut», flüstere ich.
Ein Lachen durchdringt meine Stille. Samjeeza, der aus sicherer Entfernung lacht.
«Andauernd unterschätze ich dich», sagt er beinahe bewundernd. «Du bist ein zähes kleines Vögelchen.»
«Verschwinde.»
Wieder lacht er. «Ich möchte gern wissen, was jetzt passiert. Du nicht?»
«Verschwinde. Los.»
«Du kannst
Weitere Kostenlose Bücher