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Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition)

Titel: Unearthly. Heiliges Feuer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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mir das Handy in die Hand.
    Ich drücke die Kurzwahltaste. Es klingelt lange, so lange, dass ich schon denke, gleich geht die Mailbox an, aber dann höre ich Mamas Stimme.
    «Clara?» Am Klang ihrer Stimme höre ich, dass sie weiß, dass etwas nicht stimmt.
    «Mama …» Im ersten Moment kann ich meine Kehle nicht dazu bewegen, die Worte herauszubringen, die Worte, die sie hierher zu Samjeeza und zu Gott weiß was für einem Schicksal führen werden. «Samjeeza ist hier.»
    «Bist du sicher?», fragt sie.
    Ich spüre Samjeezas Blick auf mir, seine Gegenwart fragend in meinem Kopf; er bedrängt mich im Grunde nicht, aber er versucht, meine Gedanken zu lesen oder in mich hineinzuhorchen oder etwas in der Art. «Er steht direkt hier vor mir.»
    Schweigen am anderen Ende der Leitung. Dann fragt sie: «Wo bist du?»
    «Ich weiß nicht.» Ich sehe mich um, habe aber die Orientierung verloren. Ich erinnere mich nicht mehr, wo wir sind, und ich sehe nichts als dunkle Felder und Telefonmasten, die sich bis in die Ferne erstrecken.
    «Coltman Road», presst Tucker hervor.
    Ich sage es ihr. «Ich habe den Wagen zu Schrott gefahren», erzähle ich ihr, weil irgendwas in meinem dummen Hirn mich zwingt zu gestehen, wie sehr ich alles vermasselt habe.
    «Hör mir jetzt gut zu, Clara», flüstert sie. Sie holt tief und zittrig Luft. «Du weißt, dass ich nicht zu dir kommen kann.»
    Das war mir klar. Trotzdem durchfährt mich ein gewaltiger Schock. Ich weiß ja, sie ist zu schwach zum Fliegen, zu schwach sogar, um die Treppe hinaufzugehen, ohne außer Atem zu geraten, aber tief innen drin, ganz tief in meinem Herzen, habe ich doch geglaubt, sie würde kommen, trotz allem.
    «Was hat sie gesagt?», fragt Samjeeza und kommt noch näher zu mir, sein Mund ist jetzt fast an meinem Ohr. Er ist aufgeregt. Er glaubt, sie wird kommen, um mich zu retten, wie beim letzten Mal. Die Vorstellung, meine Mutter wiederzutreffen, ihr Gesicht zu sehen, ihre Stimme zu hören, gefällt ihm außerordentlich. Vor lauter Vorfreude beginnt er beinah zu tanzen. Er hat jetzt einen Plan, etwas, das ihn mit den anderen aussöhnen wird, einen Plan, der meine Mutter zwingen wird, für immer bei ihm zu bleiben. In der Hölle.
    Nur, meine Mutter kommt nicht.
    Ich glaube, das ist der Moment, in dem wir offiziell und endgültig verloren sind.
    «Was hat sie gesagt?», fragt Samjeeza noch einmal und versucht, mit seinem Verstand in meinen Kopf einzudringen, um die Information selbst zu finden. Ich verdränge ihn aus meinen Gedanken und finde es diesmal überraschend einfach, ihn von mir fernzuhalten. Ich bin geistig stärker als beim letzten Mal. Ich kann ihn wegdrängen. Was nur gut ist, wenn ich bedenke, dass ich jetzt gezwungen bin zu lügen.
    «Sie ist auf dem Weg.»
    «Sei tapfer, mein Liebes», sagt da meine Mutter zu mir. «Denk an das, was ich dir gesagt habe. Du kannst ihn mit deinem Herzen und deinem Verstand besiegen. Du bist stärker, als du glaubst. Ich hab dich lieb.»
    «Okay.» Ich beende das Gespräch. Samjeeza streckt die Hand aus, und ich versuche, das Zittern unter Kontrolle zu halten, als ich ihm das Handy zurückgebe.
    «Dann warten wir jetzt also», sagt er. Er nickt wie ein ängstlicher Schuljunge, und er lächelt. «Ich hab nie gut warten können.»
    Wie ein flatternder Vogel steigt Panik in meiner Brust auf, aber ich verdränge sie.
    Versuch, Zeit zu gewinnen, denke ich. Denk dir was aus, wie du ihn von Tucker und Wendy weglotst, damit du den Glanz hervorbringen kannst.
    «Wir müssen einen Krankenwagen für meine Freundin rufen.» Ich deute auf Wendy, die wie eine Stoffpuppe in einem schwarzen Samtkleid zu Tuckers Füßen liegt. Mein Kleid. Meine Verantwortung.
    Samjeeza blickt hinunter auf mein Handy, dann schließt er besitzergreifend seine Finger darum. «Ich denke nicht.»
    Ich schlucke. «Sie ist verletzt. Sie braucht Hilfe. Dir kann das doch egal sein. Wir – du und ich und Mama, meine ich – könnten längst weg sein, ehe die Ambulanz da ist.»
    «Bitte», sagt Tucker, und das aufrichtige Flehen in seiner Stimme ist wirklich nicht zu überhören. «Sie ist meine Schwester. Sie könnte sterben. Bitte, Sir.»
    Vielleicht wirkt das «Sir». Der Kummer um mich herum pulsiert, und ich ahne den Funken von etwas Menschlichem darin, Mitleid vielleicht. Eine Art Zwiespalt. Noch einmal blickt er auf mein Handy hinunter, klappt es auf. Mit den Augen überfliegt er die Tasten, aber er scheint nicht zu wissen, welche er drücken soll. Mir wird

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