Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
mitzuteilen, aber das ist es tatsächlich. Offiziell, meine ich. Das füge ich erklärend hinzu, da es scheint, als wäre ich immer schon Mitglied dieser Gruppe gewesen.
Darüber habe ich die ganzen vierzehn Stunden auf der Fahrt von Nebraska hierher nachgedacht. Im Grunde länger noch. Seit dem ersten Mal, als ich auf die Wiese kam, habe ich daran gedacht, Mitglied der Kongregation zu werden. Mom und ich hatten darüber geredet. Ich hatte sie gefragt: «Wird man jetzt von mir erwarten, der Kongregation beizutreten?», und sie hat gelächelt und gemeint, das sei etwas, das ich selbst entscheiden müsse.
«So was macht man nicht leichtfertig», hatte sie gesagt. «Es ist eine große Verpflichtung, weißt du, dich ein Leben lang an diese Leute, an diese Sache zu binden.»
«Verpflichtung?», hatte ich wiederholt. «Tja, wenn du es so ausdrückst, warte ich vielleicht lieber noch.»
Sie hatte gelacht. «Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, dann wirst du es wissen», hatte sie gemeint.
Es fühlt sich an, als sei der Zeitpunkt nun gekommen.
Macht es dir etwas aus zu warten? , frage ich Christian.
Nein, natürlich nicht , erwidert er. Er versteht es. Er ist der Kongregation im vergangenen Jahr beigetreten, aber über den Grund dafür spricht er nicht oft.
Ich hab das gemacht, weil ich Teil von ihnen sein wollte , sagt er. Ich weiß, flüchtig betrachtet, wirken sie wie eine ständig zankende, nie Ruhe gebende, irgendwie fast gestörte Familie, aber hinter der Fassade versuchen sie alle, das Richtige zu tun. Sie kämpfen auf der Seite des Guten, auf jede Art, die sie kennen.
Er denkt wieder daran, wie sie sich nach der Ermordung seiner Mutter getroffen hatten. Wie sie ihn beschützten. Ihn trösteten. Sie wurden seine Familie.
Ich wende mich an Billy, die geduldig darauf gewartet hat, dass ich wieder laut spreche. «Ich will der Kongregation beitreten. Ich will auf der Seite des Guten kämpfen.» Bei dem Wort kämpfen zittert meine Stimme, weil ich nicht kämpfen kann. Das habe ich bereits bewiesen. Aber hier geht es nicht um einen Kampf mit Glanzschwertern. Christian hat recht – sie sind eine Familie, die einzige Familie, die ich noch habe. Ich muss etwas tun. Ich muss für etwas Greifbares und Gutes einstehen, wie meine Mutter es getan hat. Ich muss es versuchen. «Können wir das machen, ehe ich gehe?»
«Darauf kannst du wetten», sagt sie und macht sich mit mir auf die Suche nach Stephen. Er sitzt auf einem dieser zusammenklappbaren Campingstühle neben seinem Zelt und liest in einem großen ledergebundenen Buch.
«Clara möchte sich uns anschließen», informiert ihn Billy.
Stephen sieht den Ausdruck auf meinem Gesicht. «Aha», sagt er. «Verstehe. Ich rufe die anderen.»
Zehn Minuten später stehe ich im inneren Ring eines ausgedehnten Kreises von Engelblutwesen, die gesamte Kongregation ist wieder mitten auf der Wiese versammelt, und alle haben sie den Blick auf mich gerichtet. Ich gebe mir Mühe, den Blicken standzuhalten. Stephen stellt mir nur eine einzige Frage: «Gelobst du, dem Licht zu dienen, für die Seite des Guten zu kämpfen und die anderen, die neben dir kämpfen, zu lieben und zu beschützen?»
Ich gelobe es. Es ist beinahe wie das Jawort bei einer Trauungszeremonie.
Die Mitglieder der Kongregation entfalten ihre Flügel. Das habe ich sie schon einmal tun sehen, als ich beim letzten Mal hier war, mit meiner Mutter, und sie sich von ihr verabschiedet haben. Aber jetzt stehe ich in der Mitte des Kreises, und es ist Nacht, und deshalb fühlt es sich wie ein Sonnenaufgang in meiner Seele an, als sie den himmlischen Glanz um mich herum aufrufen. Seit dem Garter habe ich den Glanz nicht mehr gespürt, und etwas in mir fühlt sich befreit, als das Licht mich umströmt. Ich fühle mich gewärmt, zum ersten Mal seit über einer Woche. Ich fühle mich sicher. Ich fühle mich geliebt. Das Licht der anderen erfüllt die Wiese, und es ist anders als der Glanz, den ich in mir selbst hervorrufe, voller, als wären die Herzen, die in jedem Einzelnen hier im Kreis schlagen, mein Herz und ihr Atem mein Atem, ihre Stimme meine Stimme.
Gott ist mit uns , sagen sie auf Lateinisch, und ich nehme an, es ist das Motto der Gruppe. Ihre Worte schwellen um mich herum an. Clara lux in obscuro. Helles Licht in der Dunkelheit.
«Ich denke an Chicago», sagt Christian am Tag nach unserer Rückkehr nach Lincoln. Er sitzt am Esstisch in unserem Hotel und surft auf seinem Laptop im Internet.
Gerade bereite ich Webs
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