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Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)

Titel: Unearthly. Himmelsbrand (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia Hand
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zwei Sekunden lang wünsche ich mir eine Schere dabeizuhaben. Ich würde es mir abschneiden. Vielleicht mache ich das, wenn, beziehungsweise falls ich aus der Hölle zurückkomme. Mein neues Ich wird eine radikale Typveränderung brauchen.
    Wehmütig blicke ich in den Himmel, dann halte ich den Atem an, als ich genau hinsehe. Die Wolken sind fast ganz verschwunden, nur wenige weiße Fetzen hängen in der Ferne. Der Himmel ist klar. Die Sonne senkt sich langsam übers Meer und schaut in rotgoldener Glut über die Baumwipfel.
    Was ist passiert?, frage ich mich benommen. Habe ich das gemacht? Habe ich irgendwie das Unwetter vertrieben? Ich weiß, dass Billy das Wetter beherrscht, und wenn sie nicht gut drauf ist, wird es manchmal ganz schön unruhig, aber ich hätte nie gedacht, dass ich das auch kann.
    Ich stehe auf. Was auch immer das verursacht hat, es ist gut. Ich kann jetzt fliegen, auch wenn es nur für ein paar Minuten ist. Es fühlt sich wie ein Geschenk an. Ich nehme meine Kapuze ab, strecke die Arme über den Kopf und mache mich bereit, meine Flügel erscheinen zu lassen.
    Genau in dem Moment höre ich ein Rascheln unter mir, dann das Geräusch von Schuhen auf Felsgestein, die gedämpften Laute der Anstrengung, als jemand die Felswand hochklettert. Jemand kommt herauf.
    So ein Mist! Hier oben bin ich noch nie auch nur einer Menschenseele begegnet. Es ist öffentliches Gelände, hier darf sich jeder aufhalten, nehme ich an, aber normalerweise werde ich nicht gestört. Der Aufstieg ist schwierig. Ich habe mich immer darauf verlassen, dass es ein Ort ist, an dem ich allein sein kann.
    Tja, das war’s dann wohl mit dem Fliegen.
    Blödmann!, denke ich. Such dir doch deinen eigenen Platz zum Denken.
    Aber dann erscheint die Hand des Blödmanns über dem Felsrand, gefolgt von Armen und Gesicht, und es ist alles andere als ein Blödmann.
    Es ist meine Mutter.

    «Oh, hallo», sagt sie. «Ich wusste nicht, dass hier oben jemand ist.»
    Sie weiß nicht, wer ich bin. Ihre blauen Augen werden ganz groß, als sie mich sieht, aber nicht, weil sie mich erkennt, sondern weil sie überrascht ist. Auch sie ist hier oben noch nie einem anderen Menschen begegnet.
    Sie ist wunderschön, ist mein erster Gedanke, und jünger, als ich sie je gesehen habe. Ihr Haar ist auf eine füllige Art gelockt, über die ich mich lustig gemacht hätte, hätte ich sie so auf einem Foto gesehen. Sie trägt helle Jeans und ein blaues Shirt, das so über ihre Schulter gerutscht ist, dass ich an das einzige Mal denken muss, als sie mich genötigt hat, den Film Flashdance anzusehen. Sie könnte auf einem Poster Reklame für die achtziger Jahre machen, und sie sieht so gesund aus, so übervoll von Leben. Bei diesem Anblick fühle ich einen schmerzenden Kloß im Hals. Am liebsten möchte ich die Arme um sie legen und sie nie mehr loslassen.
    Sie wirft mir einen unbehaglichen Blick zu. Ich starre sie an.
    Ich mache den Mund zu. «Hallo», krächze ich dann. «Wie geht es Ihnen? Schöner Tag heute, nicht?»
    Jetzt mustert sie meine Aufmachung, meine eng anliegenden Jeans, das schwarze Tanktop, mein loses, im Wind wehendes Haar. Ihr Blick ist zurückhaltend, aber neugierig, dann dreht sie sich um und schaut mit mir zusammen auf das Tal hinunter. «Ja. Herrliches Wetter.»
    Ich strecke ihr meine Hand hin.
    «Ich bin Clara», sage ich freundlich.
    «Maggie», erwidert sie und schüttelt meine Hand, ohne sie zu drücken. Ich bekomme langsam eine Ahnung von dem, was in ihr vorgeht. Sie ist verärgert. Das hier ist ihr Platz. Sie wollte allein sein.
    Ich lächle. «Kommen Sie oft hierher?»
    «Das hier ist mein Platz zum Nachdenken», sagt sie, in einem Tonfall, der deutlich macht, dass sie jetzt an der Reihe ist und ich mich auf den Weg machen sollte.
    Aber ich gehe nirgendwohin.
    «Meiner auch.» Ich setze mich wieder auf meinen Felsbrocken, was so gar nicht das ist, was sie wollte, sodass ich beinahe laut auflache.
    Sie beschließt, die Sache auszusitzen. Sie lässt sich auf der anderen Seite des Felsvorsprungs nieder, streckt die Beine aus, holt aus ihrer Tasche eine verspiegelte Sonnenbrille, wie die Polizisten sie tragen, und setzt sie auf, dann legt sie den Kopf in den Nacken, als wolle sie sich sonnen. So verharrt sie eine Weile, mit geschlossenen Augen, bis ich es nicht mehr aushalte. Ich muss mit ihr reden.
    «Wohnen Sie hier in der Gegend?», frage ich.
    Sie runzelt die Stirn. Sie öffnet die Augen, und ich spüre, wie ihre Verärgerung einer eher

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