Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
wo wir Kaffee getrunken und in den bequemen Sesseln gesessen haben. Aber hier wurde das Wort Books über der Tür weggekratzt, geblieben sind nur tiefe Furchen im Stein, als hätte irgendeine riesige Bestie sich über das Gebäude hergemacht. Die schwarze Markise ist verwittert und hängt in Fetzen herab, und aus den zerborstenen Fensterscheiben dringt dunkler Rauch.
Wir mühen uns etwa zwei Blocks weiter und halten den Kopf gesenkt, so gut wir können, als stemmten wir uns gegen den Wind, bis der schwarze Bogen mit dem schmiedeeisernen Gitter, der den Eingang zum Bahnhof markiert, in Sicht kommt. Bei dem Anblick geht mir das Herz auf.
Beinahe geschafft , sagt Christian. Ich hoffe, wir brauchen keine Münze oder so was, um hier rauszukommen, denn für die Rückfahrt hat Samjeeza uns nichts gegeben.
Jetzt gehen wir etwas schneller. Nur noch einen Häuserblock weit. Einen Häuserblock, und wir sind zu Hause und frei. Natürlich weiß ich, dass es nicht vorbei sein wird. Hier wegzukommen ist nur der erste Schritt, und dann müssen wir flüchten, uns verstecken und in unserem Versteck bleiben, endgültig alles hinter uns lassen. Aber wenigstens leben wir. Ich weiß nicht, ob ich tief im Innern wirklich damit gerechnet habe, diese Reise heil und an einem Stück zu überstehen. Es hat sich als so einfach erwiesen. Beinahe simpel.
Aber dann sehe ich die Pizzeria.
Ich bleibe so abrupt stehen, dass Angela von hinten gegen mich prallt. Christian jault auf, als ich ruckartig seinen Arm packe. Die grauen Seelen rempeln uns an, stöhnen, rufen, aber ich bleibe eine Weile fest und unverrückbar stehen und starre über die Straße zu dem kleinen, kastenförmigen Gebäude hinüber, in dem mein Bruder gearbeitet hat.
Jetzt sag nicht, du willst in einem Moment wie diesem Pizza essen , meint Angela.
Christian bringt sie mit seinen Gedanken zum Schweigen. Clara?
Er ist einfach nicht mehr erschienen, denke ich.
Ich trete vom Bürgersteig auf die leere Fahrbahn.
Clara, Jeffrey ist nicht hier , drängt Christian. Komm zurück auf den Bürgersteig.
Woher willst du das wissen? Ich habe ein entsetzliches, quälendes Gefühl in der Magengrube.
Weil er nicht tot ist. Er gehört nicht hierher.
Wir sind auch nicht tot. Genau wie Angela , sage ich, mache noch einen Schritt und ziehe sie über die Straße hinter mir her.
Wir müssen gehen , sagt Christian und wirft hektische Blicke auf den schwarzen Torbogen. Wir können jetzt keine Umwege machen.
Ich muss das überprüfen , sage ich gleichzeitig, und dann lasse ich los und entferne mich von ihren Händen.
Clara, nein!
Aber ich gehe. Die Gefühle der grauen Seelen strömen alle auf einmal auf mich ein, jetzt, da ich Christians zusätzliche Stärke nicht mehr habe, die mir hilft, die Emotionen der anderen abzublocken. Aber ich beiße die Zähne zusammen und gehe schnell über die Straße. Zur Pizzeria. Jeder Schritt bringt mich näher an die Fensterfront, die einen langen, waagerechten Sprung in der Glasscheibe hat. Es sieht so aus, als würde sie jeden Moment in tausend Scherben zerbrechen, doch durch die beschlagene Scheibe sehe ich Jeffrey. Mit gesenktem Kopf steht er da, hält ein schmuddeliges Geschirrtuch in der Hand und wischt geistesabwesend in langsamen Kreisen über einen Tisch.
Es ist schlimmer, als ich dachte.
Mein Bruder ist in der Hölle.
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Zombieland
Ich nehme mir keine Zeit zum Nachdenken. Ich stürme durch die Tür und gehe zu ihm, obwohl ich weiß, dass jeden Moment Kokabel und Samjeeza und wer weiß, wer sonst noch, hinter uns her sein könnten, und obwohl ich mir schmerzlich bewusst bin, dass ich Samjeeza versprochen habe, mit keinem außer Angela zu reden, aber all das ist mir egal. Er ist mein Bruder. In dem Augenblick kommt mir der Gedanke, dass es bei meiner Aufgabe mit dem Höllentrip womöglich doch nicht nur um Angela ging. Vielleicht soll ich ja Jeffrey retten.
Er muss zweimal hingucken, als ich auf ihn zugehe, dann schnaubt er verächtlich. «Mann, Clara, was machst du denn hier?»
Warum sollte er sich auch freuen, mich zu sehen?
Zeit für Geplauder haben wir nicht, auch keine Zeit für Erklärungen. Ich entdecke Angela und Christian auf dem Bürgersteig direkt vor dem Fenster. Das Entsetzen darüber, dass ich recht hatte, steht ihnen ins Gesicht geschrieben. «Du musst jetzt unbedingt tun, was ich dir sage. Nur dieses eine Mal», erkläre ich Jeffrey ruhig und werfe einen Blick zu den grauen Leuten in der Pizzeria hinüber,
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