Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
immer nur eine Person pro Tisch, doch sie schauen nicht auf. Noch nicht. Ich packe seine Hand und ziehe ihn zur Tür. «Komm mit, Jeffrey. Jetzt.»
Er reißt sich von mir los. «Du kannst nicht einfach hier auftauchen und mich herumkommandieren. Das hier ist mein Job, Clara. Mein Lebensunterhalt. Nicht gerade ein Traumjob, aber wenn man arbeitet, weißt du, kann man nicht einfach so kommen und gehen, wann man will. So was sieht ein Boss nun mal nicht gern.»
Er weiß nicht, wo er ist. Er denkt, das hier wäre sein normales Leben. Ich habe jetzt keine Zeit, darüber zu grübeln, wie deprimierend es ist, dass mein Bruder den Unterschied zwischen Normalität und ewiger Verdammnis nicht erkennt.
«Das hier ist nicht dein Job», sage ich und versuche, ganz ruhig zu bleiben. «Komm schon. Bitte.»
«Nein», erwidert er. «Wieso sollte ich auf dich hören? Beim letzten Mal bist du so verdammt unverschämt zu mir gewesen, und du hast mich angebrüllt, und dann hast du dich die ganze Zeit nicht mehr blicken lassen, und jetzt soll ich so einfach …»
«Ich wusste nicht, wo du warst», unterbreche ich ihn. «Hätte ich es gewusst, wäre ich früher gekommen.»
«Wovon redest du?» Er wirft sein Geschirrtuch auf einen Tisch in der Nähe und funkelt mich wütend an. «Bist du von allen guten Geistern verlassen?»
Oh, viel fehlt da nicht mehr. Die Mauer, die ich zwischen mir und den Gefühlen all dieser Leute um mich herum errichtet habe, ist schon brüchig geworden, kleine geflüsterte Gedanken dringen bereits durch.
Das geht die gar nichts an.
Ich hasse ihn. Ich verdiene etwas Besseres.
Betrogen. Ich wurde betrogen.
Ich blinzele ein paar Mal und versuche, einen klaren Kopf zu bekommen, mich auf Jeffrey zu konzentrieren, aber dann …
O Mist. Ich blicke über Jeffreys Schulter, und da steht Lucy im Türrahmen, ihr Gesichtsausdruck bei meinem Anblick verrät blankes Entsetzen.
«Du … Was machst du denn hier?», will sie wissen und kommt auf mich zu, ungefilterter Zorn in ihrem Blick, doch ihre Stimme ist beherrscht. Sie hakt Jeffrey unter. Allein schon ihr Anblick bringt die Erinnerung an jene Nacht im Pink Garter mit Macht zurück. Ich denke an den Feuerball, den sie auf uns geschleudert hat, ihr Kreischen, als Christian ihre Schwester Olivia zu Boden streckte, an den Schwur, den sie danach ablegte. Ich schwöre, ich bring dich um, Clara Gardner. Und ich sorge dafür, dass du vorher leiden wirst.
«Lass ihn los», sage ich leise.
Plötzlich ist Christian an meiner Seite. Er starrt Lucy mit einem wütenden Blick an, der sagen will, sie soll nur ja nicht wagen, uns hier anzugreifen, als wolle er sie daran erinnern, dass er ihre Schwester getötet hat und womöglich ein Glanzschwert mit sich führt, das ganz allein für sie bestimmt ist. Und da drängt sich mir die Frage auf, ob Glanzschwerter in der Hölle wohl funktionieren.
Ich hoffe wirklich, wirklich inständig, dass das der Fall ist.
Wortlos starrt Lucy mich an, ihr Griff um den Arm meines Bruders wird fester. Ich spüre ihren Hass auf mich, aber auch ihre Furcht. Sie will mich verletzen, will mich mit ihrer Klinge in zwei Hälften hacken, will ihre Schwester rächen, sich den Respekt ihres Vaters verdienen, aber sie hat Angst vor mir. Sie hat Angst vor Christian. Im Grunde ist sie ein Feigling.
«Wir gehen jetzt», sagt Christian. «Jetzt sofort.»
«Ich gehe nicht mit euch», meint Jeffrey.
«Halt den Mund», fauche ich. «Ich bringe dich weg von hier.»
«Nein», sagt Lucy, ihre Stimme ist viel ruhiger als das, was ich in ihrem Innern brennen fühle. «Das wirst du nicht.» Ganz lieb lächelt sie Jeffrey an. «Ich kann das alles erklären, Baby, Ehrenwort, aber erst muss ich mich um etwas kümmern. Du rührst dich nicht von der Stelle, okay? Ich muss kurz weg, aber ich bin sofort wieder da. Okay?»
«Okay …» Jeffrey nimmt es stirnrunzelnd zur Kenntnis. Er ist verwirrt, aber er vertraut ihr.
Sie reckt sich zu ihm hoch, küsst ihn sanft auf den Mund, und er entspannt sich. Dann lässt sie ihn los, was mich irgendwie erschüttert, dass sie ihn so ohne Kampf loslässt. Ich wappne mich, rechne mit einem plötzlichen Kummerdolch in der Brust, aber ohne einen weiteren Blick in meine Richtung stürmt sie an mir vorbei.
Dann wird mir bewusst, was sie vorhat. Sie will in den Club, drei Blocks von hier, zu ihrem Vater. Ein ganzes Universum von Schmerz über uns bringen.
Sie hofft, dass Asael uns alle, mich und Christian und Angela, in winzige
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