Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
aber es kommen keine Worte heraus. Das Licht meines Schwertes ergießt sich in ihn. Er sieht mich an, als würde er mich nicht erkennen, seine Hände graben sich in meine Schultern, doch nun ist er schwach, und ich bin stark, so unglaublich, unglaublich stark.
Ich stoße das Schwert noch tiefer in ihn hinein.
Er brüllt, ein Dröhnen tiefer Qual, das die Wände der Scheune erbeben lässt und alle außer mir dazu bringt, sich die Ohren zuzuhalten. Die Glühbirne über uns zerspringt, und das zerbrochene Glas regnet auf uns herab. Rauch steigt von Asael auf, als er sich gegen mich lehnt, und ich will nur noch von ihm weg. Meine Zähne schlagen aufeinander, als ich die Hand gegen sein Schlüsselbein stütze und das leuchtende Schwert aus seinem Körper ziehe. Ich trete zurück. Er sackt auf die Knie, und meine Arme bewegen sich automatisch nach oben. Mit einem mächtigen Schwung trenne ich einen riesigen schwarzen Flügel von seiner Schulter. Er zerplatzt in kleine Federstückchen und Rauch.
Asael scheint das nicht einmal zu spüren. Die Hand hat er immer noch auf dem Herzen, doch auf einmal hebt er die Arme in einer Art stillen Flehens zum Himmel.
«Vergib mir», krächzt er, und dann fällt er vornüber auf den schmutzigen Boden der Scheune und verschwindet.
Keiner sagt ein Wort. Einen Moment lang senke ich den Kopf, mein Haar fällt mir in wirren Strähnen ums Gesicht, die Hitze des Glanzschwertes durchströmt mich noch immer, bewegt sich meinen Arm hinauf, ringelt sich mir in leuchtenden Ranken um den Ellenbogen. Dann schaue ich auf zu Lucy. Sie hält immer noch Tuckers Arm umklammert, Schrecken und Bestürzung stehen ihr ins Gesicht geschrieben.
«Lass ihn los», sage ich.
Sie zieht ihn näher zu sich heran. Der Kummerdolch erscheint wieder in ihrer Hand, zitternd, aber kräftig und solide genug, um Schaden anzurichten. Sie streckt ihn vor, deutet auf uns alle.
«Zurück», kommandiert sie, in ihren dunklen Augen steht Panik. Sie ist uns jetzt unterlegen, chancenlos ohne ihren großen bösen Vater, aber gefährlich ist sie immer noch. Sie könnte Tucker töten.
Und das will sie auch.
«Lass ihn los», sage ich noch einmal, entschiedener jetzt.
«Luce», sagt Jeffrey sanft und tritt vor. Christian hat seinen Kreis aus himmlischem Glanz sinken lassen, und die Scheune liegt wieder im Dunkeln. Ich weiß nicht, wie spät es ist, ob Tag oder Nacht, ob das fahle Licht draußen vor dem Scheunenfenster den Sonnenaufgang oder den Sonnenuntergang ankündigt.
«Nein», sagt Lucy. Wütend funkelt sie mich an, wischt sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen. «Du. Du hast mir alles genommen.»
«Luce», redet Jeffrey beschwichtigend auf sie ein. «Leg das Messer weg.»
«Nein!», schreit sie. «Zurück!»
Ich hebe das Schwert, drohe ihr, und sie kreischt. Sie hat ihre Flügel erscheinen lassen, ein Gewimmel von schwarzen und weißen Federn, wie die von Christian, nur genau andersherum: schwarzer Obsidian mit Tupfern von reinem Weiß darauf. Mühelos hebt sie Tucker hoch, ihre Flügel schlagen wütend. Sie steigen immer weiter nach oben, und dann krachen sie durch das Dachlukenfenster auf dem Heuboden. Zum zweiten Mal in dieser Nacht regnet Glas auf uns herab, und ich bedecke das Gesicht mit einem Arm, um meine Augen vor den Glassplittern zu schützen. Als ich wieder aufschaue, sind Lucy und Tucker verschwunden.
Mein himmlischer Glanz verglüht.
Sie hat Tucker mitgenommen.
Ohne ein Wort zu sagen, nehme ich die Verfolgung auf. Ich fliege, noch ehe meine Flügel völlig entfaltet sind. Über der Ranch halte ich in der Luft inne, drehe mich um, schaue, welche Richtung sie wohl eingeschlagen hat. Im Osten sehe ich einen kleinen schwarzen Fleck vor dem Licht der aufgehenden Sonne. Es ist also Morgen. Irgendwo hinter mir höre ich Christians Stimme. Er ruft mir zu: «Warte! Wir verfolgen sie gemeinsam!» Aber ich kann nicht warten. Ich setze ihr hinterher, fliege kraftvoller, schneller, als ich je zuvor geflogen bin. Ich fliege und fliege, verfolge sie, über die Berge, in die Höhe, wo die Luft dünn und kalt wird. Ich folge ihr, als sie sich nach Norden wendet und dann wieder nach Osten, und mir wird klar, dass sie ziellos umherirrt. Sie flüchtet einfach nur. Sie hat Angst.
Wohin du auch gehst, ich werde dir folgen , schwöre ich ihr wortlos. Sie ist stark, mit dem Kummerdolch und den gesprenkelten Flügeln und allem, sie ist das Kind Asaels und ein unglückliches Engelblut wie Christians Mutter. Sie ist
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