Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
mit Rum? Sonst nichts anderes drin?», frage ich.
«Ein Teil Rum, zwei Teile Cola», antwortet er. «Ehrenwort.»
Es schmeckt überhaupt nicht wie der Drink, den ich auf der Party mit Tucker hatte. Und jetzt, fast zwei Jahre später, begreife ich auch, wieso. Tucker hatte in meine Cola mit Rum gar keinen Rum getan.
Der kleine Stinker.
Diese Gluckenmutter, dieser unmögliche, fuchsteufelswild machende und total süße kleine Stinker.
In dem Moment vermisse ich ihn so sehr, dass ich davon Magenschmerzen bekomme. Das könnte aber auch am Rum liegen. Von den Leuten im Hinterzimmer ist lauter Jubel zu hören.
«Christian! Christian! Christian!», intonieren sie.
Ich dränge mich durch die Menge nach vorn, bis ich an der Tür zu diesem Hinterzimmer stehe, und komme gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Christian ein großes Glas mit einer dunklen braunen Flüssigkeit hinunterstürzt. Als er fertig ist, jubeln sie wieder, und er grinst und wischt sich den Mund am Ärmel seines weißen Polyesteranzugs ab.
Das Mädchen, das neben ihm sitzt, beugt sich zu ihm vor und flüstert ihm etwas ins Ohr. Er lacht und nickt ihr zu.
Mein Magen krampft sich zusammen.
Christian schaut auf und sieht mich. Er steht auf.
«He, wo willst du hin?», fragt das Mädchen, das auf der anderen Seite neben ihm sitzt und eine hübsche Schnute zieht. «Christian! Komm wieder zurück! Wie wär’s mit noch ’ner Runde?»
«Ich habe genug», sagt er, nicht wirklich lallend, aber so, dass er auch nicht ganz wie er selbst klingt.
Ich muss mich gar nicht erst in seinen Kopf einklinken, um zu wissen, dass er betrunken ist. Aber ich spüre, dass er sich dicht unter der Oberfläche des Alkoholnebels über etwas aufregt. Etwas, das passiert ist, nachdem wir uns an diesem Nachmittag getrennt haben.
Etwas, das er vergessen will.
Er streicht sich das Haar aus dem Gesicht und durchquert den Raum, kommt beinahe geradlinig auf mich zu. Ich trete zurück, um ihm Platz zu machen, damit er durch die Tür gehen kann, doch er legt mir die Hand auf den nackten Arm und zieht mich in die nächste Ecke. Er schließt die Augen im selben Moment, als der Energiestrom uns durchzuckt; dann beugt er sich zu mir vor, bis sich unsere Nasen beinahe berühren, sein Atem ist überraschend angenehm und frisch, wenn man bedenkt, was für ein scheußliches Zeug ich ihn habe trinken sehen. Ich will das eigentlich ganz lässig sehen – es ist schließlich eine Party, die Leute trinken, und ja, da waren Mädchen in dem Zimmer, die sich an ihn rangeschmissen haben; aber er ist ja auch richtig heiß, und er ist klug und witzig und hat gute Sprüche drauf. Und er ist nicht mein Freund, rufe ich mir ins Gedächtnis. Wir hatten bisher nicht einmal ein richtiges Date. Wir sind nicht zusammen.
Trotzdem lässt seine Berührung einen Schwarm tollwütiger Schmetterlinge in meinem Bauch aufgeregt hin und her flattern.
«Gerade hab ich an dich gedacht», sagt er, seine Stimme ist rau, seine Pupillen sind so groß, dass seine Augen schwarz aussehen. «Mädchen meiner Träume.»
Hitze steigt mir ins Gesicht, von seinen Worten, aber auch von dem, was er in diesem Moment denkt. Er will mich küssen. Er will noch einmal meine Lippen spüren, so sanft, so perfekt für ihn – er will mich aus diesem dummen, lauten Haus forttragen, irgendwohin, wo er mich küssen kann.
Wow. Ich bekomme kaum Luft. Er beugt sich vor. «Christian, stopp», flüstere ich in dem Moment, kurz bevor sein Mund meine Lippen berührt.
Er zieht sich zurück, atmet schwer. Ich versuche, etwas zurückzugehen, ein wenig Abstand zwischen uns zu bringen, aber ich stoße gegen die Wand. Er macht einen Schritt vor, kommt näher, und ich lege ihm die Hand mitten auf die Brust, um ihn fernzuhalten, und es versetzt mir einen weiteren elektrischen Schlag, wie ein Feuerwerk, das vor einem dunklen Himmel explodiert.
«Lass uns rausgehen», schlage ich atemlos vor.
«Geh vor», sagt er und folgt mir, und während ich auf die Tür zugehe, legt er die Hand auf meinen Rücken, und sie brennt sich durch den Stoff meines Kleides. Die Hälfte des Weges haben wir geschafft, als wir buchstäblich in Thomas hineinlaufen, von dem ich, so wird mir jetzt erst klar, ohne eine Erklärung einfach weggelaufen bin, kaum dass ich Christians Namen gehört habe.
«Ich hab nach dir gesucht», sagt Thomas. Er schaut auf Christian oder, besser gesagt, auf Christians Hand, die zu meiner Hüfte hinuntergeglitten ist. «Wer ist …»
«He, du bist der
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