Unearthly. Himmelsbrand (German Edition)
werden wir nicht mehr so viel freie Zeit zum Trainieren haben. Die Phase mit Besen und Wischmopp sollte längst hinter uns liegen. Wir sollten bereits die echten Schwerter schwingen.
«Ich dachte immer, für dich gibt es so etwas wie Zeit nicht.» Ich gebe mir alle Mühe, nicht zu stöhnen. «Ach komm schon. Ich brauche eine heiße Schokolade. Meine Füße sind eiskalt.»
Dad seufzt, dann kommt er in langen Schritten zu uns herüber und stellt sich zwischen Christian und mich. Er legt mir eine Hand auf den Nacken dicht unter dem Haaransatz, dann macht er das Gleiche bei Christian. Ich habe keine Gelegenheit zu fragen, was er da tut, denn im nächsten Moment spüre ich einen Ruck in meinem Magen, die Welt löst sich auf, und es erstrahlt ein helles, weißes Licht, und als das Licht verschwindet, stehen wir an einem Strand. Es sieht aus wie der Schauplatz eines dieser Filme, die auf einer einsamen Insel spielen, nur perfekter weißer Sand und blaues Wasser, weit und breit kein Mensch zu sehen, um uns herum nur neugierige Seemöwen.
«Heilige Scheiße, Dad», keuche ich. «Beim nächsten Mal bitte eine Vorwarnung.»
«Los jetzt», sagt er und klatscht in die Hände. «Weiter geht’s.»
Wir ziehen unsere Stiefel und Socken aus, schlüpfen aus den Jacken und lassen sie in den Sand fallen. Dad steht ein Stück entfernt am Wasser, hat die Arme vor der Brust verschränkt und sieht uns zu. Ich hebe meinen Besen und gehe auf Christian zu, der eine Verteidigungsstellung einnimmt. Sand knirscht zwischen meinen Zehen.
«Und?», meint Christian, als befänden wir uns mitten in einer lässigen Plauderei, anstatt zu versuchen, uns gegenseitig zu Brei zu schlagen. «Wie geht es Angela?»
«Es geht ihr gut. Wenigstens spricht sie wieder mit mir.» Ich stoße vor. Er pariert. «Vor ein paar Tagen war ich bei ihr im Wohnheim zum Abendessen, und wir haben ein bisschen geredet. Zumindest hat sie mir die Version der Geschichte erzählt, die alle glauben sollen.» Er holt schwungvoll aus; ich blocke ihn ab. «In diesem Trimester wird sie in meinem Literaturkurs sein … hab ich dir das schon erzählt? Wir lesen Dante. Da werden wir uns sicher bestens amüsieren.»
«Gestern habe ich sie auf dem Campus gesehen, bei gerade mal zwanzig Grad hat sie ein riesiges Eis gegessen», sagt Christian. «Hat wieder mit mir rumgeblödelt. Sie ist schon fast wieder die alte. Nur … dicker.»
«Ach komm schon, so dick ist sie nun wirklich nicht! Man sieht es doch kaum.»
«Im wie vielten Monat ist sie jetzt? Im sechsten?»
Ich sehe eine Lücke in seiner Deckung und ziele auf sein Bein, aber er bewegt sich zu schnell. Ich stolpere an ihm vorbei und sause gerade noch rechtzeitig herum, um einen Schlag abzuwehren, der auf meine Hüfte gegangen wäre. Ich schiebe ihn weg.
«Das hängt davon ab, welche Geschichte du glaubst.» Mir klebt eine Haarsträhne im Gesicht, ich streiche sie weg. «Wenn Pierce der Vater ist, wäre sie maximal im vierten Monat. Aber sie hat mir erzählt, das Kind kommt im März, das heißt, sie müsste im sechsten Monat sein. Die Rechnung stimmt irgendwie nicht. Ist sie tatsächlich im sechsten Monat, dann ist sie in Italien schwanger geworden. Dann ist es Phens Baby.»
«Aber sie will nicht zugeben, dass Phen der Vater ist, nicht mal dir gegenüber?», fragt Christian.
«Auf keinen Fall – sie sagt, das Baby ist von Pierce. Pierce ist total aus dem Häuschen, dass er angeblich Vater wird. Er hat seine Hilfe angeboten, aber Angela erlaubt ihm nicht, irgendwas für sie zu tun. Er ist ein richtig anständiger Kerl. Zu schade, dass er nicht wirklich der Vater ist.»
Christian runzelt die Stirn. «Angela ist also entschlossen, das ganze Wintertrimester durchzuhalten?»
Ich streife seine Rippen mit dem Besen, und er springt zurück. «Allerdings. Aber dann lässt sie sich beurlauben oder so was», sage ich ihm. «Auf unbestimmte Zeit.»
«Aber was ist denn mit ihrer Aufgabe? Das soll sich doch in Stanford abspielen, oder nicht?»
«Über ihre Aufgabe will sie nicht reden. Es ist, als hätte sie aufgehört, daran zu glauben, oder als hätte sie beschlossen, die Aufgabe zu ignorieren, oder als wäre sie im Moment zu beschäftigt mit dem ganzen Babyzeug.» Ich strauchele, und Christian platziert einen heftigen Schlag auf meinem Oberschenkel. «Autsch! He, nicht so verdammt fest!»
Er hält inne, lässt seinen Besen sinken. «Aber ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt …»
Ich greife ihn an, nutze es aus, dass er
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